23.08.2017: Rakvere - Kingissepp - Wünderlich

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23.08.2017: Rakvere - Kingissepp
Gegenwind und Regen. Teilweise auch beides gleichzeitig. Und das während einer der längsten Etappen der Tour - keine Freude. Daran sieht man andererseits auch, dass wir während des größten Teils der Tour - wie schon letztes Jahr - unverschämtes Glück mit dem Wetter hatten.

Und die ersten 70 Kilometer heute waren ja sogar auch noch trocken: nach dem Frühstück (ehe wieder Nachfragen kommen: sehr gut, besonders die Hackfleischbällchen) rollen wir aus Rakvere heraus Richtung Nordosten und dort auf die Schnellstraße 1. Trotz der noch recht frühen Stunde ist schon recht viel Verkehr. Der Himmel zeigt sich wolkenbedeckt, aber es ist trocken. Nach wenigen Kilometern biegen wir auf die 17120 ab - eine große Nummer für eine nette kleine Straße. Hier sind wir nahezu alleine unterwegs und kommen zunächst nach Kiviõli mit seinen großen Industrieanlagen. Der Name der Ortschaft bedeutet „Steinöl“ und bezieht sich auf das Öl, welches hier aus Ölschiefer gewonnen wurde und wird. Es gibt zwei große Abraumhalden, welches die beiden höchsten künstlichen Berge des Baltikums sind und sogar per Wanderweg bestiegen werden können.

Ist unsere Schnellstraßen-Vermeidungsstrategie bisher perfekt aufgegangen, so landen wir zwischen Püssi und Kohtla-Nõmme auf einen Feldweg, der nach Regenfällen der vergangenen Tage teilweise nicht mehr sehr gut zu fahren ist. Hier sehen wir sehr interessante Spuren von unterschiedlichen Tierarten im Matsch. Auch hinter Kohtla-Nõmme kommen wir auf einige Straße, die in Naviki (das Web-Tool, welches wir zum Planen benutzen) als befestigte Straße eingezeichnet sind, in der Realität aber fröhlich zwischen Sand, Erde, Schotter und manchmal auch Asphalt hin- und herwechseln. An Tieren bekommen wir hauptsächlich jede Menge Störche zu Gesicht.

Kurz vor Jõhvi kommen wir wieder an die Schnellstraße aber nicht auf die Schnellstraße - hier können wir auf einen perfekten Radweg bis fast in die Innenstadt radeln. Hier gönnen wir uns einen Imbiss und gerade, als wir wieder aufbrechen wollen, öffnet der Himmel seine Pforten. Wir warten etwas ab, aber eine Besserung ist nicht in Sicht. Doof ist, dass wir nun wieder auf die Schnellstraße müssen - und hier von jedem überholenden LKW richtig schön mit einer Wasserwolke eingenebelt werden. Aufgrund des sehr nassen Charakters des aktuellen Wetters entscheiden wir dennoch, auf Experimente mit Nebenstraßen zu verzichten und stattdessen bis Narva auf der großen Straße zu bleiben.

Eine einzige Ausnahme machen wir, und zwar in Sillamäe. Nach dem Krieg wurden hier Uranerze abgebaut und verarbeitet. Was hier gemacht wurde war so geheim, dass die Stadt nicht auf sowjetischen Karten eingezeichnet war und auch der Zugang sehr stark reglementiert wurde. Faszinierend, jetzt hier einfach so reinradeln zu können.

Nochmal einige Kilometer später kommen wir nach Narva, der Grenzstadt zwischen Estland und Russland. Die letzte Stück wieder auf einem sehr guten Radweg. Hauptsehenswürdigkeit ist die Hermannsfeste, eine schön renovierte Burg des Deutschen Ordens. Aufgrund des Wetters verzichten wir auf einen Besuch und schauen uns stattdessen die Burg von zwei Viewpoints aus an. Ein beeindruckendes Gebäude, vor allem im Zusammenspiel mit der nicht minder beeindruckenden Festung Ivangorod auf russischer Seite.

Dann geht es zur Grenze: Radler dürfen hier durch die separate Abfertigung für Fußgänger - und hier zeigt sich ein Votreil des schlechten Wetters: es sind fast keine anderen Fußgänger unterwegs. Nach vielleicht zwanzig Minuten ist der Grenzübertritt geschafft. Adieu, Estland. Du hast uns sehr gut gefallen, auch wenn wir auf der Fahrt von Tallinn nach Osten Stück für Stück in Gegenden gekommen sind, die noch deutlich stärker den morbiden Charme der Sowjetunion versprühen.

Willkommen Russland. Das heißt, riesige Schlaglöcher in den Straßen und stinkende Diesel-LKW (bei letzterem handelt es sich keinesfalls nur um Fabrikate der Marke Volkswagen). Die Strecke zwischen Ivangorod und Kingissepp ist angeblich aufgrund des breiten Seitenstreifens gut zu radeln. Naja, die ersten Kilometer sind Straße und Seitenstreifen gleich schlecht. Dann wird die Straße etwas besser und kurz vor Kingissepp kann man auf dem Seitenstreifen sogar ganz vernünftig radeln. Der Regen hat übrigens inzwischen nachgelassen. Gerade, als wir uns darüber freuen und langsam anfangen abzutrocknen, geht es aber leider von neuem wieder los. Kingissepp selber ist etwas gesichtslos - außer der hübschen (aber leicht renovierungsbedürftigen) Katharinenkathedrale gibt es fast nur Plattenbauten. Wir haben in einem kleinen Hotel vorgebucht und treffen zum ersten Mal auf unserer Tour auf eine Rezeptionistin, die kein Wort Englisch spricht. Wo ein Wille, da ein Weg - alle offenen Fragen können geklärt werden und wir schaffen es auch, uns ein Abendessen zu besorgen.

Tageskilometer: 146.1 km, Gesamtstrecke: 2621 km


Abraumhalden bei Kiviõli


Rathaus von Sillamäe


Die Hermannsfeste in Narva


Erster Blick auf Kingissepp

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