22.08.2017: Tallinn - Rakvere - Wünderlich

Der nette Hotelpage, der uns zu unseren in der Hotelgarage abgestellten Fahrrädern bringt, will wissen, wo wir heute hinfahren. Ah, Rakvere, wenn wir mit dem Auto unterwegs wären, gäbe es da eine ganz tolle Schnellstraße. Das wissen wir, aber unser Ziel ist wieder, große Straßen so weit wie möglich zu vermeiden.

Wir verlassen Tallinns Altstadt in Richtung Fährhafen. Schon beeindruckend diese riesigen Fährschiffe Richtung Helsinki und Sankt Petersburg (und letztere immer noch ein klein wenig verführerisch…). Bevor wir die Stadt jedoch ganz verlassen, statten wir noch dem Ortsteil Kadriorg einen Besuch ab. Hier befindet sich das Schloss Katherinental, das Zar Peter der Große als Sommerresidenz für seine Frau Katharina errichten ließ. Von diesem Schlösschen aus, kehren wir noch einmal an die Seepromenade zurück, vorbei am Denkmal für das 1893 auf dem Weg nach Helsinki gesunkene russische Kriegsschiff Rusalka.

Kurz darauf verlassen wir das Meeresufer schon wieder und biegen ins Landesinnere ab. Hier wird es sofort ziemlich hügelig. Wir kommen vorbei an einem Hinterhof, in dem ausgediente sowjetische Denkmäler gelagert werden und an dem eindrucksvollem sowjetischen Ehrenmal für die rote Armee. Das Einzugsgebiet der Stadt verlässt uns noch länger nicht. Wir durchqueren Plattenbausiedlungen und Neubauviertel und kommen vorbei an Lagerhallen diverser Logistikunternehmen und Kraftwerken.

Auch später wirkt die Landschaft nicht mehr so unberührt wie weiter südlich. Hier fahren wir hauptsächlich vorbei an Feldern und Wiesen. Bei Jõelähtme kreuzen wir dann die oben erwähnte Schnellstraße - und zwar wirkliches Kreuzen, auf der selben Ebene: der Radweg, hier immerhin drei nationale und zwei europäische Radwege in einem, führt einfach quer über beide Richtungen der Straße mit getrennten Fahrbahnen und verschwindet dahinter durch die Lärmschutzwand.

Nun wird es auch wieder etwas waldiger und nach einigen Kilometern erreichen wir den Lahemaa-Nationalpark. Wir sehen davon allerdings nicht die Moorgebiete und die Findlinge an der Küste, für die er bekannt ist, sondern nur, zugegebenermaßen sehr schönen, Wald. Nach Verlassen des Nationalparks haben wir noch eine etwas weniger schöne Tierbegegnung: Hier lebt ein riesiger schwarzer Hund ohne Zaun oder Leine, der es sich wohl zum Ziel gesetzt hat, vorbeifahrende Radler anzufallen. Dank unserer langen Hosen geht alles ohne nennenswerte Verletzungen aus.

Nun müssen wir doch ein Stück auf Schnellstraße. Diese hat immer noch getrennte Fahrspuren, aber auch einen breiten Seitenstreifen, so dass wir uns fast wie auf einer eigenen Radspur fühlen können. Und der Verkehr ist sehr schwach. Bei Viitna verlassen wir die Autobahn kurz und kehren in einer Art Raststätte mitten im Nichts ein. Außer von uns wird diese auch von einem Bus einer estnischen Fernbusgesellschaft frequentiert.

Gesättigt kehren wir zurück auf die Schnellstraße. Einige Kilometer später endet ziemlich abrupt deren vierspuriger Ausbau. Auf dem nun folgenden schmalen Sträßchen bei gleichem Verkehr wird das Fahren deutlich unangenehmer. Wir sind froh, als wir bei der nächsten Abzweigung abbiegen können.

Wir erreichen schließlich Rakvere. Besonders einladend ist der erste Eindruck von der Stadt nicht. Etwas fehl am Platz wirkt mittendrin der Komplex aus Hotel, Konferenzzentrum und Schwimmbad, in dem wir heute übernachten. Bevor wir uns dem Schwimmbad- und Saunenbereich widmen, wollen wir aber noch die Hauptsehenswürdigkeit des Ortes besuchen: die hiesige Burg. Von Ordensrittern erbaut und im Polnisch-Schwedischen Krieg zerstört könnte sie sehr interessant sein. Leider wurde sie in eine Art Mittelalter-Disneyland verwandelt, mit exerzierenden Landsknechten, Ponyreiten und Bogenschießen, dabei munter die Jahrhunderte durcheinander geworfen. Wir verlassen die Burg ein wenig enttäuscht.

Das Schwimmbad und die Saunen in unserem Hotel halten dafür, was sie versprechen. Danach gibt es noch ein gutes Abendessen.