25.10.2014: Putre - Wünderlich

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25.10.2014: Putre
Dirk hat fast die gesamte Nacht nicht schlafen können - wir vermuten, dass es sich um leichte Anzeichen einer beginnenden Höhenkrankheit handelt. Wenn keine weiteren Symptome dazu kommen, sollte aber noch alles in Ordnung sein. Pünktlich um acht Uhr sitzen wir im Frühstücksraum unserer Lodge - das Frühstück ist sehr reichhaltig und lecker. Nach dem Frühstück brechen wir auf. Heute wollen wir uns das Altiplano in der Gegend von Putre anschauen. Dabei werden wir uns zum größten Teil im Parque Nacional Lauca bewegen. Direkt hinter dem Ortsausgang von Putre führt eine geschotterte Stichstraße direkt zur Ruta 11. Diese spart uns im Vergleich zur asphaltierten Ortszufahrt - welche weit zurück nach Westen führt - etwa fünf Kilometer Strecke ein und entpuppt sich als recht lustiges Wellblech. Naja, unser Auto wird in den kommenden Tagen noch deutlich mehr aushalten müssen. Auf der Ruta 11 landen wir wieder in einem Konvoi bolivianischer LKW, den wir aber glücklicherweise nach nicht einmal zwei Kilometern wieder verlassen können, als wir nach links auf die kleine A-23 abbiegen. Diese Schotterstraße führt direkt an der Süd- und Südwestflanke des Taapaca entlang, den wir ja schon gestern bei der Anfahrt nach Putre aus der Entfernung bewundern konnten.


Taapaca

Die Straße gewinnt schnell an Höhenmetern - rechts von uns immer die Flanke des Vulkans. Nach links eröffnen sich immer neue faszinierende Blicke ins Tal oder auf in einiger Entfernung stehende andere Vulkane. Hinter einer Kurve sehen wir rechts von uns im Berghang stehend und grasend unsere ersten Vicunas. Vicunas sind die kleinste und zierlichste der vier in Südameika heimischen Kamelarten. Vicunahaare sind sehr fein und wachsen sehr langsam nach - ein Vicuna kann nur einmal alle zwei Jahre geschoren werden. Da zudem Vicunas nicht domestiziert sind, gilt ihre Wolle als die teuerste Wolle der Welt. Ein Paar Vicunasocken kostet schnell 1000 Euro, ein Mantel 25000 Euro. Bis in die 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts litten die Vicunas sehr unter Wilderei, landwirtschaftlicher Nutzung ihrer ursprünglichen Weidegebiete sowie eingeschleppten Krankheiten. Die Anzahl ging stark zurück, auf etwa 6000 Tiere. Dann wurden Schutzgebiete eingerichtet - zum Beispiel die Reserva Nacional Las Vicunas, die wir uns morgen anschauen werden - und seitdem hat sich die Vincuna-Population wieder deutlich erholt, auf zuletzt etwa 200000 Exemplare. Wir beobachten die Gruppe der niedlichen Tiere ausgiebig und fahren dann weiter.


Zwei Vicunas

Immer noch unterwegs an der Flanke des Taapaca erreichen wir die höchste Stelle unserer heutigen Strecke: Laut unserem GPS-Gerät befinden wir uns 4790 Meter über dem Meeresspiegel, laut dem am Straßenrang aufgestellten Schild sind es 5250 Meter. Wir entscheiden uns, dass wir eher dem GPS-Gerät glauben und dass das Schild an einem leichten Anfall von Größenwahn leidet. Egal wie hoch wir hier genau sind - von der Passhöhe bietet sich ein genialer Blick auf die vor uns und unter uns liegende Ebene des Altiplano, sehr karg und lediglich dicht mit kleinen grünen Büschen bewachsen. Weit vor uns sehen wir den fast schon auf der Grenze nach Peru stehenden Vulkan Tacora und rechts davon - deutlich näher - unser erstes heutiges Tagesziel, den Cerro Suriplaza, einen der zahlreichen farbigen Berge dieser Gegend. Die Ebene wird durchschnitten von der Quebrada Allane, einem kleinen Canyon, welchen wir nach etwa 17 Kilometern erreichen. Hier bewundern wir schroffe Felswände links und rechts neben uns, müssen einmal lustig das Bett eines kleinen Baches durchfahren und - fast der Höhepunkt, da absolut unerwartet - es kommt ein Auto entgegen. Hinter der Quebrada de Allane geht es wieder auf die Ebene des Altiplano und wir nähern uns der kleinen Ortschaft Colpitas.


Quebrada de Allane

Hier kommen wir auch zum ersten Mal an einer typischen Geländeform des Altiplano vorbei, einem Bofedal. Bofedale sind weite grüne Moorlandschaften, von denen die geringen auf dem Altiplano vorkommenden Wassermengen quasi aufgesaugt werden. Wasser bedeutet Leben und so bieten die Bofedale des Altiplano zahlreichen Tier- und Pflanzenarten eine Heimat. Besonders auffällig sind vor allem die großen Herden von Alpakas, Lamas und Vicunas, die sich in den Bofedalen tummeln. Während wir gestern noch glücklich waren, ein einzelnes Lama neben der Straße gesehen zu haben, können wir nun zig Alpakas und Lamas beim Grasen zuschauen - ein tolles Erlebnis. Colpitas selber besteht nur aus ein paar Häusern. Wir biegen nach links ab und fahren ein kurzes Stück direkt an der Flanke des Cerro Suriplaza entlang. Kurz darauf biegen wir nach rechts auf eine noch kleinere aber immer noch sehr gute Schotterstraße ab. Die Straße führt recht steil bergauf, letztendlich sogar durch ein paar ziemlich enge Serpentinen. Die Landschaft ist phantastisch: Am Straßenrand sehen wir immer wieder kleinere Bofedale mit vielen Alpakas und Lamas. Im Verlauf des Anstiegs öffnet sich immer mehr der Blick auf den Cerro Suriplaza mit seinen intensiv in rot, orange und braun leuchtenden Hängen.


Grasende Lamas vor dem Suriplaza


Noch mehr Lamas

Einige hundert Meter unter dem Gipfel des Suriplaza führt die Straße über ein Plateau, wo wir eine Pause einlegen. Hier sehen wir viele Llaretas, grüne Pflanzen, die irgendwie an auf den Boden geworfene Kissen erinnern. Llaretas werden etwa einen halben Meter hoch und erreichen eine Fläche von einigen Quadratmetern. Im Gegensatz zum ersten Eindruck sind diese Pflanzen nicht weich, sondern sogar ziemlich hart. Llaretas wurden und werden von den indigenen Bewohnern des Altiplano in der Volksmedizin und als Brennstoff verwendet. Da sie nur sehr langsam nachwachsen, stehen sie kurz vor dem Aussterben und werden streng geschützt.


Der Suriplaza


Llareta-Stauden

Über die Straße, die auf der nördlichen Seite des Suriplaza-Plateaus wieder zurück ins Tal führt, hatten wir im Vorfeld der Reise keinerlei Informationen gefunden, aber Versuch macht klug: Wir fahren los und finden eine sehr gute Schotterpiste - wieder vorbei an vielen Bofedalen, dicht gesprenkelt mit Alpakas und Lamas. Unten angekommen biegen wir bei Cosapilla auf die direkt nach Osten führende A-117 ab, die hier absolut schnurgerade durch das Altiplano führt. Im Südosten sehen wir am Horizont schon die beiden berühmten Zwillingsvulkane Parinacota (6348 Meter) und Pomerape (6222 Meter). An den Gipfeln dieser Berge hängen auch ein paar Wolken - das werden hoffentlich im weiteren Verlauf des Tages nicht mehr. Bei Guacoyo stoßen wir auf die A-123, auf die wir in Richtung Süden - Richtung Parinacota - abbiegen. Diese Straße wurde in den vergangenen Jahren über weite Strecken frisch asphaltiert - der neue Belag führt letztendlich bis kurz vor Parinacota und damit um einiges weiter vorhanden als wir es nach Studium des verfügbaren Kartenmaterials erwartet haben.


Ein Bofedal, voll mit grasenden Lamas und Alpakas

Parinacota ist ein Ritualdorf der Aymara. Das bedeutet, dass die Ortschaft normalerweise fast völlig verlassen ist und die Bevölkerung dort nur zu hohen religiösen Festen zusammenkommt. In Parinacota finden sich in der Touristensaison als Ausnahme ein paar Andenkenverkäufer. Wir sind in der Nebensaison da, finden zwar einen Stand mit Postkarten, müssen dann aber länger suchen bis wir eine Person finden, bei der wir diese Karten bezahlen können. Wir schauen uns etwas um und bewundern vor allem den zentralen Platz mit der weißen Kirche - wie fast alle Kirchen hier auf dem Altiplano mit einem schönen weißen Turm. In ihrer jetzigen Form wurde die Kirche im Jahre 1789 errichtet. Direkt südlich von Parinacota stoßen wir wieder auf die von Putre hierher und weiter nach Bolivien führende Ruta 11, der wir Richtung Osten folgen. An einem Aussichtspunkt haben wir einen schönen Blick auf die unterhalb der Straße liegenden Lagunas de Cotacotani. Dabei handelt es sich im Prinzip um einen größeren See, der an seinem Rand in ein Sumpfgebiet übergeht. Hier könnte man von der Straße aus eine Wanderung zum See unternehmen. Wir überlegen kurz, ob wir loslaufen sollen, entscheiden uns dann aber dagegen: Wir befinden uns auf 4600 Metern Höhe und spüren immer noch deutlich die Auswirkungen der Höhe. Mit Höhenkrankheit hat das bis jetzt zwar nicht wirklich etwas zu tun - aber es ist doch schon faszinierend, wie schnell man auf dieser Höhe nach nur ein paar schnelleren Schritten außer Atem gerät.


Kirche von Parinacota

Also fahren wir weiter und kommen nach ein paar Kilometern zum Lago Chungara, einem der höchstgelegenen Seen der Erde. Etwa 13 Kilometer vor der Grenze zu Bolivien halten wir - direkt am Seeufer - an einer Rangerstation des Parque Nacional Lauca an. Der uns zur Begrüßung entgegeneilende Ranger will nur wissen, aus welchem Land wir kommen und verschwindet dann sofort wieder. Wir spazieren ein wenig entlang des Seeufers, im Blick immer der direkt hinter dem tiefblauen See stehende Parinacota mit seiner perfekten Vulkanform sowie - deutlich weiter entfernt - der schon in Bolivien stehende Sajama (6542 Meter) - ein ebenso nahezu perfekt geformter Kegel. Wir sehen jede Menge Wasservögel, unter anderem Flamingos sowie eine größere Abart von Blesshühnern.


Parinacota und Sajama hinter dem Lago Chungara

Wir fahren zurück in Richtung Putre. Hinter Parinacota befindet sich die Straße in einem Zustand, der sich nur als erbärmlich bezeichnen lässt. Das sind keine einzelnen Schlaglöcher mehr sondern eine Schotterpiste mit einzelnen übriggebliebenen Stücken Asphalt drumherum. Teilweise wird aber an der Straße gearbeitet und ab ein paar Kilometer vor Putre ist wieder alles Tip-Top in Schuss. Wir kommen an einigen Bofedalen mit vielen lamaartigen Tieren vorbei. Einer davon ist der kleine Bofedal de las Cuevas, direkt neben einer Nationalpark-Rangerstation gelegen. Hier gibt es einen etwa einen Kilometer langen Spazierweg, der zuerst am Bofedal entlangführt und dieses über einen Holzsteg überquert. Hier sehen wir eine Herde grasende Vicunas. Obwohl wir diese Tiere gebührend bewundern sind wir doch viel mehr begeistert von den zwei kleinen grauen Tieren die - direkt dahinter - über die Felsen der Straßenböschung huschen. Aus einiger Entfernung sehen wir die ersten Viscachas unserer Reise.


Vicunaherde

Bei Viscachas handelt es sich um mit Chinchillas verwandte Nagetiere die sich am ehesten als eine Art Kaninchen mit langem Schwanz beschreiben lassen. Der Weg überquert die Straße und führt dann hinter einem kleinen Hügel zu den Höhlen die dem Bofedal seinem Namen gegeben haben. Hier haben schon vor 7000 bis 9000 Jahren Menschen gesiedelt. Heute lebt hier nur noch eine größere Anzahl von Viscachas, welche - verstreut über zahlreiche Felsen - die Nachmittagssonne genießen und sich durch unsere Anwesenheit nicht aus der Ruhe bringen lassen. Wir verbringen viel Zeit damit, nach den putzigen Tieren Ausschau zu halten und diese zu beobachten. Das ist ein absolut lohnenswerter Abstecher. Zurück zum Auto müssen wir den kleinen Hügel überqueren - ein Unterfangen, dass uns sofort wieder spüren lässt, in welcher großen Höhe wir uns hier befinden. Mit vielen Pausen und unter großem Schnaufen schaffen wir es aber wohlbehalten wieder zurück zum Auto.


Posierendes Viscacha

Wir rollen zurück nach Putre und ruhen uns dort zunächst etwas in unserem Zimmer aus. Dann organisieren wir von unserem Wirt ein paar Liter Diesel. In diesem Kontext entspinnt sich ein nettes Gespräch über unsere weitere Reiseroute. Ein wichtiges Detail ist natürlich, wo wir auf die nächste Tankstelle treffen werden. Unser Copec-Atlas zeigt in der Ortschaft Pica eine Tankstelle. Sowohl Flavio, unser Wirt, als auch der ebenfalls anwesende Tourguide eines Schweizer Pärchens kannten diese Tankstelle nicht - sind nun aber überzeugt. Denn was im Copec-Atlas steht muss stimmen. Letztendlich ist der Tank unseres Pick-Ups um 40 Liter Diesel voller - zu einem Preis, der zwar deutlich höher liegt, als das was wir im Tal bezahlt hätten, aber immer noch billiger als in Deutschland. Nun sollten wir - in Kombination mit den beiden Reservekanistern die langen Etappen der beiden kommenden Tage sicher überstehen.

Am Abend bummeln wir noch ein wenig durch Putre. Auf der Plaza sind verschiedene Teleskope aufgestellt - und momentan noch (natürlich mit montierten Sonnenfiltern) auf die schon tief stehende Sonne gerichtet. Wir fragen nach und erfahren, dass das hier die Conference Excursion einer momentan in Arica stattfindenden Astronomietagung ist. Zum Abendessen gehen wir wieder in eines der zahlreichen Restaurants und fallen danach müde ins Bett.
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