13.11.2014: Maipu - Santiago de Chile
Frühstück gibt es offiziell ab 8:30 Uhr. Letztendlich wird der Tisch erst ein bisschen später gedeckt - aber das ist nach der sehr kurzen Nacht niemandem übel zu nehmen. Wir langen gut zu und verquatschen uns mit den anderen Gästen, so dass wir erst um etwa 9:30 Uhr loskommen. Wir bezahlen unser Zimmer und schenken zum Abschied Hans ein paar Dinge, die wir nicht mit dem Flugzeug nach Deutschland mitnehmen können, zum Beispiel unsere Streichhölzer und die Campinggasflasche. Dann brechen wir wieder auf.
Zunächst fahren wir einfach die Route von gestern zurück - quer durch Maipu bis zur Ruta 40. Auf diese biegen wir dann aber nicht nach Norden - Richtung Mendoza - ab, sondern nach Süden. Dies ist unsere letzte Begegnung mit dieser Traumstraße Argentiniens - hier ist sie autobahnähnlich ausgebaut - und nur ein paar Kilometer weiter südlich biegen wir nach Westen auf die Ruta 7 ab, welche Richtung Paso Libertadores und damit zur chilenischen Grenze führt. Am Horizont vor uns steht das sich auftürmende Massiv der Anden. Wir sind sehr froh, dass sich das Wetter deutlich gebessert hat - der Himmel ist wieder wolkenlos - wollen wir uns doch heute einen sehr bekannten Berg aus der Nähe anschauen.
Unterwegs auf der Ruta 7 in Richtung der Anden
Fuhren wir bei Maipu noch hauptsächlich durch Weinfelder, so sind wir nun wieder von einer recht trockenen, fast steppenähnlichen Landschaft umgeben. Die Straße verläuft zunächst noch eben und gerade, dann wir es immer kurviger und geht bergauf. Bei Potrerillos haben wir einen schönen Blick auf den gleichnamigen Stausee - 12 Kilometer lang und schön von Bergen umgeben. Danach wird es immer alpiner: Die Straße führt durch ein enges Tal, es werden auch etliche Tunnel, wenn auch recht kurze, durchquert. Parallel zur Straße verläuft die Eisenbahnstrecke Mendoza-Santiago. Schon im Jahre 1854 wurde geplant, hier eine Bahnlinie über die Anden zu bauen. 1887 wurde mit dem Bau begonnen, aber die komplette Strecke konnte erst 1910 dem Verkehr übergeben werden. Die Strecke war dann bis 1984 im Betrieb. Im Jahr 2006 wurde von Chile und Argentinien ein Vertrag unterschrieben, dass die Strecke wieder flott gemacht werden soll. Viel tat sich daraufhin aber nicht. Aktueller Plan ist es, für mehr als 3 Milliarden US$ eine Art Basistunnel unterhalb des Paso Libertadores zu errichten. Die Bahnlinie durch diesen Tunnel soll dann einen Großteil des Güterverkehrs zwischen Argentinien, Brasilien und Chile transportieren. Aber ob dieses Projekt wirklich umgesetzt wird, steht in den Sternen.
Der Rio Mendoza begleitet uns ein gutes Stück nach Westen
Unterwegs in Richtung Paso Libertadores
Nach einer Fahrt von insgesamt etwa 110 Kilometern erreichen wir Uspallata, in einem breiten Talkessel gelegen und umgeben von beeindruckenden Bergen. Boten die Andenpässe Paso Sico und Paso Jama ganz im Norden noch eine absolut fremd und unwirtlich wirkende Szenerie einer von Vulkanen bedeckten Hochebene, so war der weiter südlich gelegene Paso San Francisco schon deutlich alpiner. Und hier am Paso Libertadores schließlich wirkt die Szenerie wie in den Hochalpen oder wie irgendwo in den Rockies Nordamerikas. Um uns herum sehen wir saftig grüne Weiden und schroffe Berge. Wenn diese eine andere Farbe hätten, könnte das hier auch eine leicht in die Höhe gepimpte Version zum Beispiel des Ötztals sein. Den nördlichen Ortsausgang von Uspallata haben wir ja bereits gestern auf der Fahrt von Barreal nach Maipu kurz berührt und unser damaliger Eindruck hat nicht getrogen: Alles sehr grün, viele Bäume, insgesamt ein hübsches kleines Städtchen - und voll und ganz auf den Tourismus eingestellt. So viele Cabanas und Hosterias wie hier haben wir im Verlauf unserer Reise noch nirgendwo gesehen.
Inkaruinen direkt neben der Straße
Bergwelt entlang der Straße
Vorbei am Skiort Punta de Vacas kommen wir zur Puente del Inca in der gleichnamigen kleinen Ortschaft. Die namensgebende Brücke hat nichts mit den Inka zu tun, sondern ist eine natürlich entstandene 28 Meter breite und 47 Meter hohe Brücke über den Rio Mendoza. Das Gestein ist teilweise rotgelb gefärbt, ein Effekt der vom Wasser einer direkt an der Brücke gelegenen schwefelhaltigen heißen Quelle verursacht wird. Bis vor etwa 60 Jahren wurde das heiße Wasser auch für ein Thermalbad genutzt. Zusammen mit den Überresten des Bades, direkt an der Brücke gelegen und inzwischen auch rotgelb verfärbt, ergibt sich ein leicht surreales Gesamtbild. Früher durfte man die Brücke auch zu Fuß überqueren, das ist heute nicht mehr erlaubt, wohl aus statischen Gründen. Wir halten an einem Parkplatz an und müssen zunächst an einer größeren Anzahl Touristenbuden vorbei und dann noch die alte Bahnlinie nach Chile überqueren, ehe wir zur Puente del Inca kommen, die wir dann ausgiebig von allen Seiten bewundern. Das ist ein netter Stop, wenn auch nicht weltbewegend, und extrem touristisch ausgeschlachtet.
Puente del Inca
Nur etwas mehr als einen Kilometer hinter Puente del Inca stehen am rechten Straßenrand zwei Reisebusse. Die Insassen sind ausgestiegen und drängeln sich, um einen Blick auf den im Norden stehenden Berg zu erhaschen - den Aconcagua, den mit 6962 Metern höchsten Berg des amerikanischen Doppelkontinents. Einen Blick auf diesen Berg wollen wir natürlich auch erhaschen - aber nicht vom Straßenrand aus - und daher fahren wir noch ein wenig weiter. Nochmal knapp zwei Kilometer weiter biegen wir nach rechts in den Parque Provincial Aconcagua ab. Hier beginnen auch zwei der Aufstiegswege auf den Berg - aber für den normalen Touristen ist eine der Hauptattraktionen des Parks ein ungefähr drei Kilometer langer Rundtrail, der vorbei an an zwei schönen Bergseen zu einem Viewpoint auf den Aconcagua führt. Man kann auch weiter in Richtung der Basislager laufen, aber das sparen wir uns aus Zeitgründen. Zum Trailhead führt eine etwa eineinhalb Kilometer lange Straße. Diese ist im Frühling gesperrt - und auf der Südhalbkugel herrscht im November nunmal Frühling - so dass summa summarum sechs Kilometer zurückzulegen sind.
Unterwegs im Parque Provincial Aconcagua
Woran wir nicht gedacht haben, ist, dass für einen Provinzpark Eintritt zu zahlen ist - und zwar 20 Pesos pro Person. Das ist zwar nicht viel, aber wir haben heute früh mit einer Mischung aus Dollar und unseren allerletzten argentinischen Pesos die Unterkunft bezahlt und haben somit keinen einzigen argentinischen Peso mehr dabei. Die Dame am Schalter im Besucherzentrum darf weder Dollar noch chilenische Pesos wechseln - wir sollen doch bitte nach Puente del Inca zurück fahren, dort könne man Geld wechseln. Dazu haben wir keine Lust und sprechen vor dem Besucherzentrum den erstbesten Argentinier an, ob er uns zu einem für ihn sehr vorteilhaften Kurs Dollar in Pesos wechselt. Das tut er gerne und keine fünf Minuten nach dem ersten Versuch stehen wir wieder im Besucherzentrum und können unsere Eintrittskarten kaufen. Alleine der Fußweg über die Fahrstraße zum Trailhead ist toll. Obwohl wir uns auf 3000 Metern über dem Meer befinden, stehen in allen Richtungen schroffe und noch deutlich höhere Berge. Der Weg selber führt durch ein kleines Tal, bedeckt mit saftigen Almwiesen. Vom eigentlichen Trailhead an sind wir auf kleinen Wegen unterwegs, die sich so auch in den Alpen befinden könnten. Der Rundweg ist sehr schön, der Blick auf den Aconcagua ist phantastisch. Während alle anderen Berge in der direkten Umgebung nahezu schneefrei sind, ist der Aconcagua im oberen Teil noch komplett schneebedeckt, mit beeindruckenden gigantischen Gletscherabbruchkanten. Entlang des Weges gibt es auch einen Mirror Lake - aber hier weht für den perfekten Eindruck zu viel Wind - und eine Stelle, an der Fossilien gefunden wurden.
Der Aconcagua - der höchste Berg Amerikas
Wir laufen zurück zum Auto und fahren weiter bis zum Talende unter dem Paso de la Cumbre. Über diesen 3934 Meter hohen Pass führte bis 1980 ein sehr schmales Teilstück der Straße von Argentinien nach Chile. Dann wurde ein Tunnel eröffnet, der das allerhöchste Stück des Berges durchschneidet - also quasi ein Cumbre-Basistunnel. Ganz oben auf der Passhöhe befindet sich auch eine große 1904 aufgestellte Christusstatue. Wenn wir später im Jahr unterwegs wären, hätten wir uns den Pass sehr gerne angeschaut, aber dafür liegt jetzt noch zu viel Schnee. Dafür halten wir am Gebäudekomplex kurz vor dem Tunnel an, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen, weil laut unserem Kenntnisstand hier irgendwo die argentinische Grenzstation sein müsste. Wir fragen einen Polizisten um Rat - und der schickt uns weiter in Richtung Chile - dort gibt es seit vergangenem Jahr ein kombiniertes Grenzgebäude, welches den kompletten Verkehr aus Richtung Argentinien behandelt. Die Gegenrichtung wird dafür in Argentinien fällig - ein paar Kilometer hinter uns. Der zweite Grund für unseren Stopp ist der folgende: Der Grenztunnel ist mautpflichtig - und wieder werden nur argentinische Pesos akzeptiert. Hier hilft uns nun der kleine Shop, der sich gegenüber der Mautstation befindet. Scheinbar sind wir nicht die ersten Leute mit diesem Problem, denn der Verkäufer bietet uns ohne zu Zögern für einen US-Dollar genau den Betrag für die Maut und zusätzlich als eine Art Wechselgeld einen Keks aus der Schüssel vor ihm an. Sehr praktisch.
Stau am Grenzübergang nach Chile
Weiter geht es durch den Tunnel und auf der anderen Seite bergab bis zum neuen Zollkomplex. Hier ist recht viel los und es dauert fast eine Stunde bis wir durch sind. Die Zollbeamten kommen übrigens wieder nicht sonderlich gut mit dem Laufzettel unseres Autos zurecht und hauen ihre Stempel kreuz und quer über das Dokument - nur nicht auf die dafür vorgesehenen Stellen. Wir sind uns auch nicht sicher, ob der Grenzübertritt des Autos korrekt im Computer eingetragen ist, aber die Dame am chilenischen Zoll schaut nicht so aus, als ob sie Widerspruch zu ihrem Handeln dulden würde, also halten wir unseren Mund. Um kurz vor vier kommen wir endlich wieder los. Auf chilenischer Seite führt die Straße zunächst recht steil über abenteuerliche Serpentinen bergab, dann etwas zahmer durch ein sehr enges Bergtal und in der Ortschaft Los Andes öffnet sich dieses Tal schließlich komplett.
Spannende Serpentinen auf der chilenischen Seite des Paso Libertadores
Rückblick von der chilenische Seite auf den Andenhauptkamm
Hier biegen wir auf die Schnellstraße Richtung Santiago ab, die uns zuerst durch sehr grünes Land - unter anderem wird Wein angebaut - dann durch eine deutlich kargere Landschaft der Hauptstadt näher bringt. Hier ist auf den Straßen die Hölle los. Wir fahren über die Ringautobahn auf die Panamericana Richtung Innenstadt - und ab hier geht es nur noch im Schneckentempo voran. Grund ist wohl ein Unfall nicht weit vor uns. Der Fahrstil der Chilenen ist gewöhnungsbedürftig und teilweise sehr ruppig, vor allem, wenn es um das Einfädeln bei Engstellen geht. Einmal haben wir sogar den Eindruck, dass man uns als Gringos mit Absicht nicht in eine Lücke lässt. Als wir schließlich unser Hotel - direkt in der Innenstadt gelegen - erreichen, haben wir durch den Stau weit mehr als eine Stunde verloren und sind mit den Nerven nahezu am Ende. Die Dame an der Rezeption erzählt uns etwas von einem Buchungsproblem, und dass sie uns umbuchen will auf ein anderes Hotel, per Taxi nur ein paar Minuten entfernt. Wir machen ihr klar, dass wir mit dem Auto da sind und heute Abend in dieser Stadt keinen Meter mehr Auto fahren wollen. Die Reaktion ist etwas erstaunt ("mit dem Auto?!"), aber wir haben Erfolg und keine fünf Minuten später ein Zimmer. Dieses hat zwar drei Betten anstelle der bestellten zwei, aber das ist uns egal.
Der Abend ist schon recht weit fortgeschritten, so dass wir uns nur noch die direkte Umgebung des Hotels anschauen. Höhepunkt ist die direkt neben dem Hotel gelegene Iglesia de San Francisco. Diese Kirche stammt aus dem 17ten Jahrhundert. Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Glockenturm mehrfach komplett zerstört oder schwer beschädigt. Der heutige Turm im viktorianischen Stil stammt aus der Mitte des 19ten Jahrhunderts und steht im interessanten Kontrast zum deutlich älteren Hauptgebäude. Wir folgen der kleinen Straße neben der Kirche nach Süden und kommen so ins Barrio París-Londres, einem sehr kleinen aber hübschen Viertel aus engen Gassen und architektonisch interessanten Häusern aus dem Beginn des 20ten Jahrhunderts. Wir fühlen uns richtig wohl hier, was auch daran liegen mag, dass die Stadt zu Fuß deutlich angenehmer und stressfreier zu erleben ist als mit dem Auto. Wir laufen eine Runde und kommen wieder zur Avenida Libertador Bernardo O'Higgins, der großen Verkehrsachse, welche die Stadt hier in Ost-West-Richtung durchschneidet. Wir schauen uns noch kurz in der nördlich davon gelegenen Fußgängerzone um, suchen uns ein Restaurant, sortieren nach dem Abendessen im Hotel unser Gepäck für den morgigen Rückflug um und gehen dann ins Bett.
Iglesia San Francisco - direkt neben unserem Hotel - im späten Abendlicht