30.10.2011: San Carlos de Bariloche - Wünderlich

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Sonntag, 30.10.2011: San Carlos de Bariloche
Nach dem Aufstehen bewundern wir als erstes den Blick aus unserem Hotelzimmer quer über den Lago Nahuel Huapi Richtung Westen. Links und rechts ist der See gesäumt von hohen Berggipfeln. Direkt hinter dem See erhebt sich über einem Bergrücken ein besonders großer, runder, irgendwie wolkig und komisch aussehender Berggipfel. Berggipfel? Ein näherer Blick offenbart, dass es sich nicht um einen Berg handelt, sondern um eine gigantische und ziemlich beeindruckende Aschewolke. Der Lago Nahuel Huapi zeigt von Bariloche aus gesehen nahezu direkt auf den Vulkan Puyehue - das ist unser alter Freund der fast die Anreise nach Puerto Montt verhindert hätte und dessen Ascheschleier uns gestern den ganzen Tag begleitet hat. Kein Wunder, dass die argentinischen Siedlungen am Lago Nahuel Huapi vom großen Ausbruch vor einigen Monaten besonders betroffen waren.


Blick von unserem Hotelzimmer über den Lago Nahuel Huapi auf die Aschewolken des Vulkan Puyehue.

Nach einem leckeren Frühstück brechen wir auf. Heute wollen wir die grandiose Bergkulisse um Bariloche zum Wandern benutzen. Das Wetter ist toll - der Himmel ist blau ohne eine einzige Wolke. Wir fahren zum nur wenige Kilometer entfernten Skiresort Villa Catedral. Diese Ansiedlung sieht auch nicht viel anders aus, als die unzähligen ähnlichen Retortenorte in den europäischen Alpen. Das Skigebiet ist mit 120 Pistenkilometern eines der größten in Südamerika und deckt nahezu die komplette Nordostflanke des Cerro Catedral-Massivs ab. Ursprünglich hatten wir vorgehabt, mit der Gondel bis unterhalb des Gipfels vom 2150 Meter hohen Punta Princesa zu fahren, um von dort das Bergmassiv zu überqueren, auf der Rückseite zum Refugio Frey abzusteigen und in einem Bogen um den Berg herum zum Auto zurück zu laufen. Diesen Plan haben wir allerdings aufgegeben, da trotz schönsten warmen Frühlingswetter im Tal oben noch recht viel Schnee liegt und gerade das Stück Weg oben am Bergkamm leicht ausgesetzt und auch nicht sonderlich umfangreich ausgeschildert sein soll - beides nicht von Vorteil, wenn man in unbekannter Gegend im Gebirge unterwegs ist. Alternative ist die Wanderung vom Tal zum ganzjährig geöffneten Refugio Frey und zurück. Wir parken unseren Pick Up auf einen riesigen und fast komplett leeren Parkplatz an der Talstation der Bergbahn und suchen nach dem Beginn der Wanderung. Dieser ist vorbildlich markiert und daher überraschend schnell gefunden.


Blick auf den Lago Guiterrez während der Wanderung zur Refugio Frey.

Zu Beginn führt der Wanderweg über eine offene Wiesenfläche, gewinnt über ein paar kleine Serpentinen rasch an Höhe und führt dann durch niedriges Buschwerk entlang der Bergflanke auf nahezu gleicher Höhe in Richtung Süden. Rechts oberhalb von uns befindet sich die Flanke des Cerro Catedral-Massivs, links unter uns das blaugrüne Wasser der Lago Guiterrez. Einige hundert Meter hinter dem Parkplatz schließt sich uns ein streunender Hund an, der uns fortan nicht mehr von der Seite weicht. Immer wenn wir denken, der Hund ist umgekehrt, taucht er wieder vor oder hinter uns auf dem Weg auf. Die Wanderung führt ab und an über leichte Kletterstellen ist aber im Großen und Ganzen als technisch einfach einzustufen. Nach ein paar Kilometern knickt der Weg in Richtung Westen ab und führt in das Tal des Arroyo van Titter. Hier führt der Weg über eine recht abenteuerlich an die Felswand des Berges gedübelte Holzplankenkonstruktion. Diese wackelt zwar einigermaßen, hält aber. Nachdem wir mit Hilfe einer netten kleinen Holzbrücke den Arroyo van Titter überquert haben, geht es in dichtem Wald weiter. Hier entdecken wir an den Bäumen viele kleine gelbe Kugeln. Dabei handelt es sich um einen Pan de Indio genannten Baumpilz. Übersetzt also um Indianerbrot und angeblich haben die südamerikanischen Ureinwohner diesen Pilz früher tatsächlich als eine Art Brotersatz gegessen. Zudem sehen wir jede Menge Eidechsen und auf einem Baum tatsächlich zwei grünen Papageien - damit hätten wir in Patagonien nun gar nicht gerechnet.


Pan de Indio.


Zwei Smaragdsittiche.

Der Weg führt weiter bergauf, vorbei an dem Refugio Piedritas, einer direkt an einen großen Felsblock gebauten kleinen Schutzhütte. Die Bäume werden nun niedriger, das Tal schmaler und die umgebenden Bergflanken sind mit Schnee bedeckt. Das letzte Stück zum Refugio Frey ist auch der Weg noch mit einer dicken Schneeschicht bedeckt. Bei dem auf 1755 Meter Höhe gelegenen Refugio Frey handelt es sich um eine Hütte des Club Andino Bariloche. Diese Vereinigung von Bergsteigern unterhält verschiedene Berghütten mit Einkehr- und auch Übernachtungsmöglichkeit. Damit ist der Club Andino Bariloche entfernt mit den Alpenvereinen in Europa vergleichbar, der hiesige Verein ist allerdings - wie der Name schon sagt - nur in der direkten Umgebung von Bariloche tätig. Die nette kleine Hütte könnte genau so auch irgendwo in den europäischen Alpen stehen und liegt in einem von hohen und steilen Felswänden umgebenden Seitental direkt an einem - nun eisbedeckten - Bergsee, der Laguna Toncek. Die Felswände sind vor allem bei Kletterern sehr beliebt und wir können mit unserem Fernglas einige Seilschaften bei ihrer Tätigkeit bewundern. Außer uns ist noch eine größere Gruppe Schüler hier. Der streunende Hund, der uns auf dem Aufstiegsweg begleitet hat, findet jede Menge Kameraden und am Eingang zur Hütte treffen wir eine flauschige Katze, mit der wir erstmal ausgiebig Freundschaft schließen. Die Hütte wird von jungen Mitgliedern des Club Andino Bariloche geführt, dabei handelt es sich wohl um Studenten. Unsere Kommunikation mit der Hüttencrew gestaltet sich gemischtsprachig: Während Katharina ihre Spanischkenntnisse testet (und im Gegenzug Ratschläge für eine fehlerfreiere Grammatik bekommt), ist Dirk froh, dass die jungen Leute auch Englisch sprechen. Eine kurze Fachsimpelei später ist klar, dass der Weg zum Punta Princesa aufgrund der Schneemengen in der Tat noch nicht machbar ist und wir - wie ja eigentlich schon geplant - über den Aufstiegsweg wieder zurück nach Villa Catedral laufen müssen.


Laguna Toncek hinter dem Refugio Frey.


Refugio Frey.

Auf den Weg zurück ins Tal kommen uns jede Menge anderer Wanderer entgegen. Um knapp 15 Uhr - und damit um einiges früher als erwartet - sind wir wieder an unserem Auto. Wir entscheiden uns, noch die Fahrt zur Llao Llao-Halbinsel zu unternehmen. Diese Fahrt führt zunächst entlang des Lago Nahuel Huapi durch die nicht sonderlich hübschen Ausläufer von San Carlos nach Westen. Dann fahren wir sehr abwechslungsreich durch dichten Wald. Immer wieder ergeben sich schöne Ausblicke auf den See. Die Straße führt vorbei am berühmten (und nicht gerade preiswerten) Hotel Llao Llao. Kurz vor dem Hotel halten wir an, um einen ausgiebigen Blick auf das große Gebäude werfen zu können. Zudem schauen wir uns eine schöne und direkt an der Straße gelegene Holzkirche an. Auf der anderen Seite der Straße können wir vorbei an blühenden Obstbäumen bis zum Ufer des Lago Nahuel Huapi spazieren. Hier machen wir eine besondere Entdeckung: Auf der Oberfläche des Sees befinden sich größere graue Flächen, die aus der Entfernung wie Dreck oder irgendein Schaum aussehen. Aus der Nähe betrachtet handelt es sich aber um viele kleine Bimssteine, also vulkanische Steine, die aufgrund ihrer sehr porösen und luftreichen Struktur auf der Wasseroberfläche schwimmen. Im weiteren Verlauf der Straße um die Peninsula Llao Llao kommen wir zum Trailhead zu zwei kurzen Wanderungen: Eine führt zu einer nachgebauten römischen Brücke und die zweite zu dem Lago Escondido, dem versteckten See. Beide Wanderungen wären nicht so wirklich nötig gewesen, allerdings machen wir auf dem Weg im Wald eine interessante Entdeckung: Auf dem Trail liegen jede Menge tote Nagetiere. Nachdem wir auch schon heute morgen nahe des Trailheads in Villa Catedral direkt auf dem Weg eine tote Maus gefunden haben, spekulieren wir, ob die Tiere wohlmöglich ein Problem mit der durch den Ausbruch des Puyehue verursachten sehr erhöhten Aschekonzentration in der Luft aber auch auf dem Waldboden haben.


Cerro Lopez hinter dem Hotel Llao Llao.

Wir fahren weiter und verlassen die Llao Llao-Halbinsel. Die Straße führt nun an der Südseite des kleinen Lago Moreno zurück nach Osten und gewinnt hier gut an Höhe. Wir machen Rast an einem kleinen Kiosk, von dessen Terrasse wir einen enormen Ausblick auf den Lago Moreno, die Llao Llao-Halbinsel inklusive dem edlem Hotel und den dahinter gelegenen Lago Nahuel Huapi haben. Auf dem Rückweg nach Bariloche machen wir noch einen kurzen Abstecher über rumpelige Schotterstraßen zur Colonia Suiza, einem mitten im Wald gelegenen Schweizer Dorf. Die im alpenländischen Stil gehaltenen Häuschen dieses Dorfes sind echt putzig. Allerdings findet gerade eine Art Handwerksmarkt statt und es ist die Hölle los. Offensichtliche Parkmöglichkeit gibt es keine mehr und daher sehen wir uns nur ganz kurz vom Auto aus um.


Alpenländisch gestaltetes Haus in der Colonia Suiza.

Wir machen uns im Hotel kurz frisch und fahren dann in die Innenstadt von Bariloche. Der Pick Up wird am westlichen Rand der Downtown abgestellt und wir schauen uns zu Fuß etwas um: Interessant finden wir die vielen auf alpenländisch getrimmten Hotels und Lokale wie zum Beispiel das Hotel Tirol. Und daneben wieder die pure Hässlichkeit in Form von uninspirierten Betonklötzen oder ungepflegten Häusern. Die Hautgeschäftsstraßen von Bariloche sind wimmelnd und chaotisch - wie in einer italienischen Großstadt. Der zentrale Platz von Bariloche ist das Centro Civico. Hier steht das Gebäude der Stadtverwaltung, im Chaletstil errichtet. Auf diesem Platz findet gerade ein Volksfest statt. Es sind viele Menschen unterwegs, es gibt einige Fressbuden und auf einer zentralen Bühne spielt eine Band. Am interessantesten finden wir aber die Kreidemalereien auf dem gepflasterten Boden: Weiße Kopftücher mit Namen und Datumsangaben aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Das weiße Kopftuch ist das Symbol de Madres del Plaza de Mayo. Das ist eine Gruppe von Frauen, die zu Zeiten der argentinischen Militärdiktatur auf dem Plaza de Mayo in Buenos Aires demonstrierten um auf das spurlose Verschwinden ihrer von der Junta verschleppten Söhne aufmerksam zu machen. Einige der Mütter wurden daraufhin selber verschleppt. Die Madres sind heute in Argentinien eine Art nationale Institution, Sie kämpfen dagegen, dass die Grausamkeiten die während der Zeit der Diktatur verübt wurden vergessen oder verdrängt werden. Wir wussten, dass auf dem Plaza de Mayo Kreidezeichnungen der weißen Kopftücher an den mutigen Einsatz der Mütter erinnern. In Bariloche haben wir so etwas dagegen weniger erwartet.


Stadtverwaltung am Centro Civico in Bariloche.


Erinnerung an die Madres del Plaza de Mayo.

Zum Abschluss unserer Besichtigung schauen wir uns die erst 1947 fertig gestellte neogothische Kathedrale sowie das direkt nebenan befindliche berühmte Restaurant Familia Weiss an - dieses Gebäude wirkt wie eine gnadenlos überzeichnete Karikatur eines Restaurants irgendwo in den österreichischen Alpen. Wir überlegen kurz, ob wir uns dort ein edles Abendessen gönnen sollen, entscheiden uns dann aber, zu einem kleinen Restaurant zurückzugehen, an dem wir vor ein paar Minuten vorbei gekommen sind. Dieses ist nicht im österreichischen Stil gehalten sondern im schweizerischen. Wir bestellen uns ein Käsefondue. Dieses schmeckt zwar nicht original schweizerisch, aber wir finden es sogar recht gut, dass die Menge Kirschwasser im Käse deutlich geringer ist beim Original. Sehr lecker und sättigend. Nach dem Abendessen laufen wir zurück zum Auto, entkommen glücklich dem abendlichen Verkehrschaos und fahren zurück zum Hotel. Morgen müssen wir früh aufstehen.


Kathedrale von Bariloche.


Abendstimmung im Zentrum von Bariloche.
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