15.11.2011: Paine Grande Lodge - Hosteria Pehoe - Wünderlich

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Dienstag, 15.11.2011: Paine Grande Lodge - Hosteria Pehoe
Wir stehen wieder um sieben Uhr auf und sind um halb acht beim Frühstück. Da wir lernfähig sind, lehnen wir heute das zum Frühstück angebotenen Rührei dankend ab. Wir packen unser Gepäck komplett zusammen und machen uns wanderfertig. Heute müssen wir um spätestens 18:30 Uhr wieder zurück an der Lodge sein, denn wir wechseln die Unterkunft und müssen daher den Katamaran erwischen. Dadurch, dass wir uns gestern für die Tour zum Glaciar Grey entschieden haben, steht heute eine Wanderung auf dem Programm, die laut den auf der Parkkarte angegebenen offiziellen Gehzeiten kaum zu schaffen ist. Aber was von den auf dieser Karte angegebenen Zeiten zu halten ist, haben wir ja gestern auf dem Teilstück zwischen Refugio Grey und Campamento los Guardas mitbekommen. Wir wollen den linken horizontalen Strich und dazu den vertikalen Strich in der Mitte der "W"-Tour laufen, bis zum Campamento Britannico. Dieses liegt in etwa 700 Meter Höhe im Valle del Frances zwischen den mächtigen Gipfelkämmen des Cerro Paine Grande und dem östlichen Teil des Torres del Paine-Massivs, in dem sich unter anderem die bekannten Cuernos und die namensgebenden Torres befinden. Die Wegstrecke beträgt etwa 14 Kilometer one way.

Das Wetter entspricht ungefähr dem von gestern Vormittag: Im Süden hängen letzte blaue Wolkenlücken, ansonsten ist der Himmel komplett zugezogen. Vor dem Frühstück konnten wir im Nordosten noch kurz die Cuernos erahnen, nun sind allerdings auch diese verschwunden. Unser erstes Etappenziel ist das Campamento Italiano, nordöstlich von der Paine Grande Lodge am Eingang zum Valle Frances gelegen. Wie gestern laufen wir zunächst ein ganz kurzes Stück über das die Paine Grande Lodge umgebende Flachland mit niedrigem Buschwerk und vorbei an dem kleinen Gebäude der Parkverwaltung. Dann weiter nach Nordosten, zunächst immer parallel zum Nordufer vom Lago Pehoe und am Rand der flachen Ebene bergauf auf die umgebenden Hügel. Die helle Türkisfärbung des Sees wirkt fast irreal. Ein paar Minuten später führt der Weg wieder ein Stück bergab und durch ein breites und flaches Tal. Auch dieses Tal ist dicht mit niedrigem Buschwerk bewachsen. Sehr auffällig sind wieder die feuerroten Blüten des Notro. Wir kommen zu einer Brücke über einen kleinen Bergbach und danach führt der Weg wieder bergauf auf eine kleine Hochebene. Die Cuernos sind immer noch kaum zu erkennen und es weht ein unangenehm stürmischer Wind. Irgendwie ist das genau das Wetter, wie man es sich für Patagonien vorstellt.


Lago Skottsberg. Im Hintergrund müssten die Cuernos zu sehen sein.

Am Ende der Hochebene öffnet sich der Blick auf den unter uns liegenden Lago Skottsberg, viel kleiner als Lago Pehoe samt Konsorten und in der Farbe intensiv dunkelblau. Der starke Wind peitscht die Oberfläche des Sees ziemlich stark auf und erzeugt sogar ab und zu eine veritable Wasserhose. Der Weg führt hier recht steil bergab in die Nähe des Ufers und verläuft ab hier in einem niedrigen Wald von Südbuchen. Im stetigen Bergauf und Bergab, die flachen Stücke verlaufen hier auf längeren Strecken über Boardwalks - erreichen wir schließlich den Rio des Frances, der aus dem gleichnamigen Tal fließt. Wir folgen diesen Fluss ein Stück flussaufwärts, bis wir mit Hilfe einer fest gezimmerten Holzbrücke und einer großen, wackeligen und äußerst abenteuerlichen Hängebrücke zwei Arme des Flusses überqueren können. Direkt hinter der Hängebrücke stehen wir direkt im Campamento Italiano, malerisch mitten im Wald gelegen. Es ist noch nicht wirklich viel los und die wenigen Camper schlafen entweder noch oder sind beim Frühstück.


Wasserhose auf dem Lago Skottsberg.

Der weitere Weg in Richtung Valle del Frances verläuft direkt nach Norden und verändert recht schnell seinen Charakter komplett: Wir hüpfen über grobes Blockwerk - hier erinnert das Ganze von der Wegführung und der Art des Gesteins her ein wenig an Bergtouren in den Zentralalpen. Wir treffen auf einen Japaner, der auf der Suche nach dem Weg ist. Obwohl die grobe Richtung ja klar ist, suchen wir gemeinsam mit dem Japaner nach der nächsten auf einen Felsbocken angebrachten Wegmarkierung. Es folgt ein kurzes recht steiles Stück auf einem sehr sandigen und kiesigen Weg. Dann erreichen wir den Ausläufer einer Seitenmoräne, die im Laufe der Jahre nach dem Rückzug des Gletschers fast vollständig mit Südbuchen zugewachsen ist. Das Wetter hat sich bis jetzt nicht wirklich verbessert: Wir erkennen zwar sowohl die Cuernos de la Paine auf unserer rechten Seite als auch das Massiv des Cerro Paine Grande links. Letzteres ist besonders beeindruckend, da an seinen Flanken große Gletscher hängen. Allerdings hängen an all diesen Bergen dicke Regenwolken und wir bekommen ab und zu mal kürzere aber nicht allzu heftige Regenschauer ab.


Unterwegs im Valle del Frances.

Zum Glück weht gleichzeitig ein heftiger patagonischer Wind, der uns immer wieder zeitnah trocken pustet. Das letzte Stück Weg zum Campamento Britannicao führt mehr oder weniger eben durch Wald, dabei müssen wir immer wieder von der Seite kommenden Schuttreißen durchqueren und aufpassen, dabei nicht komplett vom Weg abzukommen. Am Campground angekommen halten wir erstmal Kriegsrat: Weitergehen oder nicht? Ein paar hundert Meter weiter befindet sich ein schöner Aussichtspunkt auf die umgebenden Berge. Andererseits macht es auch keinen Sinn, bei Regen auf einem Aussichtspunkt zu stehen und die umgebenden Wolken anzuschauen. Andererseits hat sich ja gestern zur ungefähr gleichen Uhrzeit das Wetter nahezu plötzlich rapide verbessert - und da im Osten: Ist dort nicht etwa ein kleines Stück blauer Himmel zu erkennen?


Der Rio des Frances.

Wie gestern entscheiden wir uns, weiterzugehen, denn wir können damit ja nicht wirklich etwas verlieren. Wir laufen also weiter Richtung Norden und kommen dabei nach ein paar Minuten an einem auffälligen großen Felsen mitten im Wald vorbei. Von hier aus führt der Weg noch ein kurzes Stück durch den Wald und dann in ein kleines V-förmiges Tal hinein. Ab hier ist die genaue Wegführung nicht mehr durchgehend zu erkennen, denn in dem Tal liegen einige größere Schneefelder. Neben uns sind auch noch ein französisches und ein japanisches Pärchen hier. Gemeinsam wird über den weiteren Wegverlauf beraten. Wir entscheiden uns, den frontalen Weg zu wählen - entlang des Taleinschnitts nach oben. Die beiden anderen Pärchen bleiben zurück. Die von uns gewählte Route entpuppt sich als korrekt, nach nur kurzer Zeit stoßen wir auf Pfadspuren, die sich in Serpentinen den hier aus Schotter bestehenden Berghang hochziehen. Ab und an ist der Weg auch durch Steinmännchen markiert. Zu unserer großen Überraschung erfüllt uns das Wetter unsere kühnsten Erwartungen und bessert sich langsam aber deutlich. Der Himmel erhält immer mehr blaue Flecken. Unser Weg führt uns in die Felsregion und ist immer noch mit Steinmännchen markiert. Der Blick auf die umgebenden Berge ist nun. bei besserem Wetter, einfach atemberaubend.


Und und auf einmal sind die Wolken weg...


Cerro Mascara und Cuerno Norte.

Nach einiger Zeit und auch einige Höhenmeter weiter oben entscheiden wir uns allerdings, dass der auf der Parkkarte eingezeichnete offizielle Aussichtspunkt nicht mehr kommt. Da wir ja heute Abend noch unser Schiff erreichen müssen, kehren wir nach einer kurzen Pause um. In Nachhinein, bei genauerem Studium der uns vorliegenden Karten, wird sich übrigens herausstellen, dass wohl schon der große Findling im Wald der offizielle Aussichtspunkt war. Der weitere von uns gelaufene Weg ist zumindest in den einfachen Wanderkarten des Nationalparks nicht mehr eingezeichnet. Wir sind ein gutes Stück in Richtung einer Scharte gelaufen, über die sich das Valle del Silencio erreichen lässt, in dem das Campamento Japones liegt. Hätten wir womöglich nur ein paar Minuten weiter laufen müssen, um von dieser Scharte aus einen tollen Blick ins Tal zu erhalten? Wir werden es wohl nie erfahren.


Blick aus dem Valle del Frances auf den Lago Nordenskjöld.

Der Abstieg in Richtung Campamento Britannico verläuft zunächst sehr schnell, denn wir können über die Schneefelder hüpfen bzw. abfahren und so sehr schnell viele Höhenmeter verlieren. Auf dem Wegstück zwischen Campamento Britannico und Campamento Italiano legen wir noch eine längere Pause ein um den am Cerro Paine Grande hängenden Glaciar Frances zu beobachten. Dieser hat sich nämlich dazu entschlossen, genau in diesem Moment mit viel Getöse riesige Mengen Schnee und Eis in Form gewaltiger Lawinen ins Tal zu schicken. Es ist faszinierend, wie der aufgewirbelte Schnee das halbe Seitental in einen weißen Schleier hüllt.


Glaciar Frances und Lawine.

Nachdem dieses Spektakel vorbei ist marschieren wir weiter zurück entlang der Aufstiegsroute zum Campamento Italiano und von dort aus zur Paine Grande Lodge. Dort treffen wir ungefähr 50 Minuten vor der Abfahrt unseres Katamarans über den Lago Pehoe ein - genug Zeit, um sich im Shop der Lodge noch etwas Kühles zum Trinken zu kaufen. An der Schiffsanlegestelle bildet sich schnell eine große Warteschlange und es wird auch an Bord deutlich voller als im Verlauf der Hinfahrt. Während der Fahrt unterhalten wir uns mit zwei deutschen Backpackerinnen, die für mehrere Monate in Südamerika unterwegs sind. Die beiden lassen sich einfach treiben und haben nicht fest vorgeplant, wo es als nächstes hingehen soll. Sie erzählen uns, dass sie gerade ihr Studium abgeschlossen haben - ja, das ist eine der wenigen Gelegenheiten im Leben, an der man wirklich Zeit für solche Unternehmungen hat.


Die Cuernos im Parque Nacional Torres del Paine.


Rückweg zur Paine Grande Lodge.


Lago Skottsberg mit den Cuernos.

Unser Auto steht noch auf dem Parkplatz am Bootsanleger an der Ostseite des Lago Pehoe. Wir müssen nach dem anstrengenden Tag zum Glück nicht mehr allzu weit fahren: Nur wenige Kilometer weiter südlich steht auf einer kleinen Insel und über einen Holzsteg mit dem Festland verbunden die Hosteria Pehoe. Ein nettes kleines Hotel mit auffällig vielen polnischen und holländischen Gästen. Während sich diese allerdings ruhig und zivilisiert verhalten, schießt ein Kollege aus den USA den Vogel ab: Die Tische für das Abendessen sind nach Zimmernummern zugeordnet und der Amerikaner findet seinen Tisch nicht. Anstatt ruhig weiterzusuchen oder um Hilfe zu fragen, rennt er bestimmt fünf Minuten einem Kellner hinterher und ruft in voller Lautstärke auf englisch , dass seine Zimmernummer ja die 12 wäre und wo denn sein Tisch ist. Keine höfliche Anrede, kein Bitte, nichts. Wir sind uns nicht ganz sicher, ob der Keller kein Englisch versteht oder ob er es in diesem Moment einfach nicht verstehen will. Wir freuen uns, zum ersten Mal in drei Tagen wieder ein gescheites Abendessen zu bekommen und genießen den genialen Blick aus dem Speisesaal auf das Torres del Paine-Massiv, welches nun wieder wolkenfrei in seiner ganzen Pracht zu erkennen ist.


Hosteria Pehoe, Lago Pehoe und das Torres del Paine-Massiv.
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