04.11.2011: Puerto Puyuhuapi - Villa Cerro Castillo - Wünderlich

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Freitag, 4.11.2011: Puerto Puyuhuapi - Villa Cerro Castillo
Das Frühstück wird im Hauptgebäude der Lodge serviert und ist sehr lecker. Am Nachbartisch sitzt eine Reisegruppe. Wir haben diese schon gestern beim Abendessen aus dem Augenwinkel gesehen, schauen und hören jetzt aber genauer hin: Ein älteres Pärchen, deutsch sprechend sowie zwei jüngere Menschen, von denen einer deutsch spricht und der zweite spanisch. Diese Gruppe haben wir doch schon getroffen, und zwar an der Grenzstation bei Futaleufu. Wir sagen Hallo und stellen uns und unsere Reiseroute vor. Bei der Gruppe handelt es sich um einen Fahrer, einen in Chile lebenden aber deutsch sprechenden Guide und zwei Gäste - das ältere Pärchen. Steffen, der Guide ist überrascht, dass wir gestern im Parque Pumalin waren. Dieser Park wäre ja sehr schön, aber in keinem Tourbaustein enthalten. Mit welchem Reiseanbieter sind wir denn unterwegs? Achso, die Reise ist selber geplant und lediglich die Unterkünfte über ein Reisebüro vorgebucht? Das ruft baffes Erstaunen hervor und wir sind als Reaktion selber ziemlich erstaunt: Ist es wirklich so ungewöhnlich, dass man sich eine Reise durch Chile selber plant? Wir tauschen noch unsere Reisepläne sowie Tipps für die heutige Etappe aus und verabschieden uns dann von der Reisegruppe und von der sehr schönen Pangue Lodge.

Wir brechen auf und fahren los, weiter auf der Carretera Austral Richtung Süden. Der Himmel ist leicht bewölkt. Die Strecke führt durch dichten Regenwald, zunächst einige Kilometer entlang des langgestreckten Lago Risopraton. An den Rändern der Straße stehen wieder viele riesige Pangueblätter. Fünf Kilometer hinter dem Ende des Sees erreichen wir die kleine Ortschaft Puerto Puyuhuapi, malerisch am Ausläufer eines Fjordes gelegen. Puerto Puyuhuapi wurde 1935 von deutschen Auswanderern gegründet und hält auch heute noch das deutsche Erbe in Ehren - bekannt ist beispielsweise das Cafe Rossbach, in dem leckerer Kuchen serviert werden sollen. Wir entscheiden uns allerdings, dass es direkt nach dem Frühstück noch ein wenig zu früh für einen Kuchen ist und schauen uns stattdessen kurz die Ortschaft an. Die im Reiseführer angekündigten alten deutschen Häuser stechen kaum heraus, am auffälligsten ist noch die Casa Ludwig, ein gelb und braun gestrichenen Holzhaus mit einem Bed & Breakfast am Ortsausgang.

Südlich von Puerto Puyuhuapi schlängelt sich die Straße entlang der Seite des Fjords ein Stück nach Süden, knickt dann nach Südosten ab und entfernt sich dabei wieder vom Meer. Etwa 21 Kilometer hinter der Ortschaft kommen wir zur Abzweigung zum Ventisquero Colgante, dem hängenden Gletscher im Parque Nacional Queulat. Dieser Nationalpark schützt die Gebirgslandschaft rund um Puerto Puyuhuapi. Als wir am Lago Risopatron entlang gefahren sind, waren wir auch schon kurz auf dem Gelände des Nationalparks. Der hängende Gletscher ist die bekannteste Sehenswürdigkeit des Parks und hier wird nun auch Eintritt fällig. Die Straße zum Parkplatz am Trailhead ist ziemlich rumpelig und wir sind froh, in unserem hochbeinigen und stabilen Pick Up unterwegs zu sein. Der Parkplatz befindet sich mehr oder weniger direkt an der Laguna Tempanos, einem vom Schmelzwasser des Gletschers gespeisten See. Dessen Wasser hat dementsprechend eine milchige Türkisfärbung.

Es gibt mehrere Trails und wir entscheiden uns für den Weg zum Mirador Glaciar, einem erhöht liegenden Aussichtspunkt auf den Gletscher. Zunächst überqueren wir mit Hilfe einer Hängebrücke den Fluss, der aus der Laguna Tempanos entspringt. Dann geht es durch dichten Wald in vielen Serpentinen recht steil nach oben. Nach dem Erreichen einer gewissen Höhe verläuft der Weg dann relativ eben in Richtung Nordosten. Wieder kommt eine ziemliche Märchenwald-Stimmung auf: Umgestürzte und mit Moos bewachsene Bäume liegen quer über den Weg und wir sehen riesige Farne. Nach etwas mehr als einer Stund erreichen wir den Aussichtspunkt. Dieser bietet eine tolle Aussicht auf den wild zerklüfteten türkisfarbenen Gletscher. Der Gletscher bricht an einer aus schwarzem Gestein bestehenden Steilkante ab, begleitet von einem großen Wasserfall. Das Ganze ergießt sich über ein Schotter- und Eisfeld in einen kleinen Gletschersee und von diesem aus dann weiter in die Laguna Tempanos. Leider ist der Himmel genau in Richtung des Gletschers bewölkt, so dass sich kein gescheiter Kontrast für Fotos ergibt. Wir warten längere Zeit und feuern jede Wolkenlücke an, doch keine schafft es in die Nähe des Gletschers. Dennoch: Ein toller Anblick, von dem wir uns nur schwer wieder losreißen können.


Blick vom Mirador Glaciar auf den Ventisquero Colgante.

Wieder zurück zum Auto und auf die Carretera Austral: Diese erreicht nach wenigen Kilometern einen Talabschluss und gewinnt nun in vielen Serpentinen ziemlich steil an Höhe. Hier wird der Straßenbelag auch ziemlich rumpelig, mit großen Steinen und tiefen Löchern. In der ersten Spitzkehre beginnt der kurze Trail zum Salto Padre Garcia. Als wir den Trailhead gefunden haben, stellt sich die Frage, wo das Auto abgestellt werden soll. Hier ist zwar wenig Verkehr, aber direkt in einer Spitzkehre wollen wir den Wagen nun doch nicht lassen. Und so etwas wie einen Straßengraben gibt es hier nicht - direkt neben der Straße beginnt der dichte Regenwald. Zum Glück sind wir vor einigen Metern an einer für Bauarbeiten verwendeten Straßenausbuchtung vorbei gekommen. Der Trail zum Wasserfall führt über eine schon leicht morsche Holztreppen und ein kurzes Stück eben durch den Wald. Der Wasserfall selber befindet sich zwar fast direkt neben der Straße ist aber absolut beeindruckend.


Salto Padre Garcia im Parque Nacional Queulat.

Die Straße schraubt sich weiter nach oben. Auf der Passhöhe eröffnet sich ein phantastischer Blick auf die umgebenden Anden - leicht getrübt durch die daran hängenden Wolken, die inzwischen den kompletten Himmel bedecken. Nachdem wir den Pass überquert haben, geht es ziemlich steil wieder bergab. An der Abzweigung nach Puerto Cisnes ändert sich der Straßenbelag und wir sind auf Asphalt unterwegs. Alles noch ziemlich neu und laut unseren Karten auch nur ein kleines Stückchen, aber die Karten hinken hier ein wenig der Realität hinterher: Letztendlich ist die komplette Straße von hier aus nach Coyhaique entweder asphaltiert oder steht kurz davor. Wir haben die große Ehre, irgendwo zwischen Villa Amengual und Manihuales auf einer großen Baustelle die letzten noch vorhandenen etwa 100 Meter Gravel befahren zu dürfen. In Anbetracht der an beiden Enden dieses Abschnitts fleißig werkelnden Bauarbeiter geben wir dem Gravel aber höchstens noch ein oder zwei Wochen. Einerseits ist es ja gut, dass die Einheimischen und auch der Tourist, der im normalen Auto unterwegs ist, hier in Zukunft viel leichter voran kommen. Andererseits verliert die Carretera Austral durch diese Ausbauarbeiten im Moment einen Teil ihres Reizes und des Abenteuers. Wir sind froh, weiter nördlich noch eine längere Strecke der Carretera im Originalzustand erlebt zu haben.


Serpentine der Carretera Austral.

Aber der Reihe nach: Kurz hinter der Abzweigung nach Puerto Cisnes muss die Carretera Austral eine der engsten Stellen des Tals durchqueren. Das führt dazu, dass sich die Straße abenteuerlich an eine sehr steile Felskante schmiegt, unterstützt von einer kühnen Betonbrücke, während direkt unterhalb der Straße der Rio Cisnes wirbelt. Diese Stelle der Straße wird als Piedra del Gato bezeichnet, also als Katzenstein. Über Villa Amengual und Manihuales nähern wir uns allmählich Coyhaique. Die Landschaft ändert langsam ihren Charakter. Wir verlassen den dichten Regenwald und kommen in viel stärker landwirtschaftlich genutzte Gegenden. Das letzte Stück nach Coyhaique fahren wir nicht auf der Carretera Austral, sondern wählen die etwas längere aber landschaftlich deutlich interessantere Sterecke durch die Täler des Rio Manihuales und Rio Simpson. Die Berge rücken hier ganz nahe an die Straße heran. Einen reizvollen Kontrast zur schroffen Gebirgslandschaft liefern die zahlreichen blühenden Lupinen links und rechts der Straße. Nordöstlich von Puerto Aysen, an einem Aussichtspunkt auf den Rio Manihuales treffen wir wieder die deutsche Reisegruppe, mit der wir uns heute Morgen unterhalten haben. Sie sind in einem goldenen Kleinbus unterwegs und wir folgen diesem Bus bis zu unserem gemeinsamen nächsten Stopp: Der Cascada de la Virgen, ein schöner Wasserfall, der direkt neben der Straße in zwei Stufen zu Tal donnert. Wir verabschieden uns von der Reisegruppe. Sind aber dennoch gespannt, ob und wann wir sie vielleicht doch noch wieder treffen.


Blick auf den Rio Cisnes beim Piedra del Gato.


Holzkirche in Villa Amengual.


Cascada de la Virgen zwischen Puerto Aysen und Coyhaique.

Der letzte Streckenabschnitt nach Coyhaique führt zunächst ziemlich steil bergauf, dabei auch durch einen Tunnel, bis eine grasbewachsene Hochebene erreicht wird. Hier stehen drei große Windräder und es bietet sich ein toller Blick auf die im Talkessel direkt vor uns ausgebreitete Stadt. Coyhaique hat 43000 Einwohner und ist somit die mit Abstand größte Stadt hier in der Gegend. Neben dem stärker werden Tourismus sind auch heute noch die Holzwirtschaft und die Landwirtschaft wichtige Wirtschaftszweige. Da die heutige Übernachtung die einzige im Verlauf unserer Reise ist, die wir nicht vorgebucht haben, können wir nun wählen: Entweder ein längerer Aufenthalt in Coyhaique, wie es uns unser Reisebüro empfohlen hat. Oder weiter nach Villa Cerro Castillo, wo wir eigentlich übernachten wollten, es aber keine von Deutschland aus reservierbaren Unterkünfte gibt. Da wir sowieso tanken müssen, fahren wir ein Stück nach Coyhaique hinein. Hier sind wir nach mehreren Tagen mehr oder weniger in der Wildnis (die letzte größere Stadt durch die wir gekommen sind war San Carlos de Bariloche) entsetzt ob des Trubels und der Menschenmassen und entscheiden uns spontan und einstimmig dafür, weiterzufahren.


Lupinen.


Blick auf Coyhaique.

Südlich von Coyhaique ist die Landschaft entlang der Carretera Austral wesentlich karger als sie es nördlich war. Am südlichen Horizont stehen beeindruckende Andengipfel. In Richtung Osten ist die Landschaft deutlich flacher, von einer Anhöhe aus können wir sogar bis auf die argentinische Pampa sehen. Etwas mehr als 50 Kilometer südlich von Coyhaique erreichen wir den Parque Nacional Cerro Castillo. Dieses Schutzgebiet umfasst eine große Fläche um das Massiv des 2675 Meter hohen Cerro Castillo. Die Straße führt hier wunderschön durch die Berge. Ein toller Ausblick folgt auf den nächsten. Über weite Strecken fließen munter plätschernde Gebirgsbäche parallel zur Straße. Angeblich soll es hier auch Huemuls geben, die seltenen Andenhirsche, wir bekommen aber keinen zu Gesicht.

Letztendlich erreichen wir das Ende der Gebirgsstrecke und es öffnet sich der Blick auf das Tal des Rio Ibanez. Vor uns liegt die Ortschaft Villa Cerro Castillo und rechts davon der Cerro Castillo. Mit seinen zahlreichen Felstürmen sieht dieser Berg in der Tat ein wenig aus wie ein Schloss oder eine Burg. Leider ist er aber ziemlich in Wolken gehüllt. Das letzte Stück Straße ins Tal verläuft über abenteuerliche Serpentinen. Diese haben den Namen Cuesta del Diablo, also Teufelsabhang. Das Tal des Rio Ibanez ist ein wunderschönes liebliches Stück Land - die Kombination mit den schroffen Bergen in direkter Umgebung ist einfach grandios. Die Ortschaft Villa Cerro Castillo steht dagegen in ziemlichen Kontrast: Alles wirkt etwas ärmlich und heruntergekommen. Das in unserem Reiseführer empfohlene Hotel beantwortet unsere Frage nach einem Zimmer mit einem schroffen "Nein" und letztendlich landen wir in einer Backpackerunterkunft. Um zum leicht rustikalen Zimmer zu gelangen, müssen wir das Wohnzimmer der Familie durchqueren, chilenisch-patriotisch dekoriert mit Staatsflagge und Foto des Präsidenten Pinera.


Cuesta del Diablo kurz vor Villa Cerro Castillo.


Der in Wolken gehüllte Cerro Castillo.

Zum Abschluss des Tages besuchen wir noch die Los Manos de Cerro Castillo, prähistorische Felsmalereien in direkter Nähe. Knapp einen Kilometer hinter dem Ortsausgang verlassen wir die Carretera Austral und biegen nach links ab auf einen etwa zwei Kilometer langen rumpeligen Feldweg. An dessen Ende werden wir zunächst von zwei deutschen Campern freundlich begrüßt und direkt danach auch von einem Ranger. Der Ranger steigt in unser Auto und wir legen gemeinsam das letzte Stück zum Eingangshäuschen zum Monumento Nacional Manos de Cerro Castillo zurück. Während wir den Eintritt bezahlen, stößt noch eine chilenische Familie zu uns. Gemeinsam mit dem Ranger spazieren wir ein kurzes Stück zu den Felsmalereien. Diese befinden sich in breiten Alkoven unterhalb einer mächtigen Felswand. Die Malereien zeigen ausschließlich menschliche Hände, positive und negative Abdrücke. Während erstere dadurch entstanden sind, dass die Hand einfach in Farbe getaucht und danach an die Felswand gedrückt wurde, wurde für die letzteren die Hand an den Felsen gehalten und Farbe durch einen hohlen Guanacoknochen darüber gesprüht. Quasi prähistorische Grafittikunst. Teilweise sind größere Felsbrocken mitsamt den auf sie gemalten Handabdrücken heruntergefallen. Die Malereien bei Villa Cerro Castillo sind weniger alt als diejenigen in vergleichbaren anderen Fundstätten in Patagonien, und zwar so um die 3000 Jahre. Trotzdem sind wir sehr beeindruckt.


Handabdrücke im Monumento Nacional Manos de Cerro Castillo.

Unser Abendessen nehmen wir in der La Cocina del Sole zu uns, einem Imbiss direkt an der Hauptstraße in Villa Cerro Castillo. Der Imbiss befindet sich in zwei ausgeschlachteten Reisebussen und wird von freundlichen jungen Leuten geführt. Wir essen wieder südamerikanische Burger und sind froh über die Entscheidung, von Coyhaique aus noch das Stück hierher weiterzufahren.


Hier haben wir zu Abend gegessen.
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