21.11.2011: Ushuaia - Wünderlich

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Montag, 21.11.2011: Ushuaia
Wir frühstücken um kurz nach acht und brechen dann in Richtung Innenstadt auf. Die Hotelangestellte an der Rezeption fragt uns, ob sie ein Taxi rufen soll. Nein, nicht nötig, wir sind mit dem Mietwagen da. Diese Antwort sorgt für blankes Erstaunen und große Augen - als wenn wir gerade erzählt hätten, dass wir mit unserem Privat-Ufo in die Stadt fliegen. Um halb neun sollen wir die gestern gebuchten Karten für unsere heutige Schifffahrt abholen. Um 8:20 Uhr sind wir da und sind wohl die ersten Kunden im Büro des Veranstalters. Das ist sehr interessant in Anbetracht der großen Menschenmassen, die sich vor neun Tagen mehr als eine Stunde vor Ablegen unsere Gletscherrundfahrt bei El Calafate am dortigen Hafen Puerto Bandera gestapelt haben. Hier in Ushuaia müssen wir vor Beginn der Fahrt noch die normalen Prozeduren zum Betreten eines Schiffs durchlaufen - wie wenn wir auf einem großen Kreuzfahrtschiff zur Antarktis oder sonstwohin fahren würden: Zuerst müssen wir ein paar Minuten an einem Schalter warten, um eine Hafensteuer von sieben Pesos zu bezahlen, dann steht noch eine Sicherheitskontrolle auf dem Programm. Noch eine kurze Wartezeit und dann dürfen wir an Bord gehen. Um kurz nach neun Uhr legt unser Schiff ab und nimmt Kurs nach Südosten, in den Beaglekanal. Dieser Kanal führt südlich der Hauptinsel von Feuerland vom Atlantischen in den Pazifischen Ozean und ist somit eine Alternative für Schiffe, die weder die nördlich gelegene Magellanstraße nehmen, noch die gefährliche Umrundung von Kap Hoorn wagen wollen.


Rückblick auf Ushuaia.

Das Wetter ist ganz gut. Zwar ist der Himmel recht dicht mit Wolken behangen aber immerhin regnet es nicht mehr. Der Blick zurück auf die Stadt mit ihrem Hafen und die dahinter aufgereihten Berge ist sehr schön. Die Berge sind bis recht weit unten mit einer dünnen Neuschneeschicht bedeckt. Gut, dass wir uns gestern gegen die Besteigung des Cerro Guanaco entschieden haben - wer weiß, welches Wetter uns dort oben im Laufe des Nachmittags erwartet hätte. Wir kommen an einem großen Schiff der norwegischen Hurtigruten vorbei und überlegen, wo dieses wohl als nächstes hinfährt. Am wahrscheinlichsten erscheint uns die Antarktis. Oder aber es steht die Rückreise nach Buenos Aires auf dem Programm.


Containerfrachter auf dem Beaglekanal.

Unsere Tour wird uns ein gutes Stück nach Osten führen. Dabei werden mehrere interessante Punkte angesteuert: Recht kurz nach Verlassen des Hafens fahren wir in kurzem zeitlichen Abstand an zwei winzigen Inseln vorbei, auf denen sich interessante Tierwelt tummelt: Auf der ersten Insel, der Isla de los Lobos, befinden sich Hunderte von Seelöwen, teilweise faul herumliegend, teilweise frisch aus dem Wasser kommend. Wir sehen auch einige wild miteinander raufende Jungtiere. Das weckt Erinnerungen an unseren Besuch im Flinders Chase National Park auf Kangaroo Island in Australien vor mehr als einem Jahr. Beeindruckend finden wir, wie nah das Schiff an die felsige Insel heranmanövrieren kann. Es handelt sich wohl um eine Spezialkonstruktion mit besonders flachem Tiefgang.


Isla de los Lobos im Beaglekanal.


Seelöwen auf der Isla de los Lobos.

Auf der nächsten Insel leben Kormorane und zwar eine ganze Menge davon. Schon aus weiterer Entfernung gesehen lassen sich auf den Felsen deutliche Spuren der Exkremente dieser Vögel erkennen. Die Kormorane sind momentan scheinbar ziemlich mit dem Nestbau beschäftigt. Wir sehen jedenfalls in stetiger Folge Vögel einfliegen, die in ihrem Schnabel größere Mengen an Baumaterial - zumeist irgendwelche Pflanzenteile - heranschaffen. Auch hier fährt das Schiff so nahe es geht an die Insel heran und bleibt dort einige Zeit lang liegen. Auf dem Vorderdeck drängen sich die Menschen und die Fotokameras klicken und surren um die Wette.


Kormoranfelsen im Beaglekanal.

Als drittes kommen wir an der Insel vorbei, auf der der Leuchtturm Faro les Éclaireurs steht, welcher den Beginn der Einfahrt zum Hafen von Ushuaia markiert. Danach erreichen wir das offene Wasser des Beaglekanals und dampfen mit voller Kraft nach Osten. Südlich von uns liegt die große und zu Chile gehörende Isla Navarino. Hier befindet sich auch eine Ortschaft, die sich mit Ushuaia um den Titel der südlichsten Stadt der Welt streitet: Puerto Williams. Dieses ist mit etwa 2700 Einwohnern deutlich kleiner als Ushuaia, weshalb wir letzteres als südlichste Stadt und Puerto Willams als südlichste Ortschaft der Welt bezeichnen würden. Wikipedia vertritt eine andere Meinung und behauptet, inzwischen habe "man" sich auf Puerto Williams als südlichste Stadt geeinigt. Es bleibt jetzt nur die Frage, wer diese Entscheidung getroffen haben soll. Dabei waren unserer Meinung nach garantiert keine Argentinier beteiligt. Puerto Williams, eine Ansammlung von bunten Hütten und kleineren und größeren Häusern, macht vom Schiff aus betrachtet einen netten Eindruck und wirkt vor allem viel größer als wir es uns eigentlich vorgestellt hatten.


Faro les Éclaireurs.


Blick auf Puerto Williams, die südlichste Ortschaft der Welt.

Bald darauf kommen wir an der Isla Gable vorbei, einer größeren Insel im Beaglekanal, die den Kanal bis auf eine Breite von etwas mehr als einen Kilometer einengt. Die Südküste dieser Insel zeigt interessante Gesteinsstrukturen, die irgendwie an den Badlands National Park in South Dakota erinnern. Hinter der Isla Gable, quasi in deren Windschatten liegt die kleine Isla Martillo, auf der sich eine größere Pinguinkolonie befindet. Hier zahlt sich der von uns schon zu Beginn der Fahrt festgestellte besonders flache Tiefgang unseres Schiffs aus: Der Kapitän steuert den Bug seines Gefährts mehr oder weniger auf den flachen Sandstrand der Insel. Von hier aus lassen sich die putzigen Pinguine aus einigen Metern Entfernung beobachten. Auf dem Strand befinden sich gar nicht mal wirklich viele Tiere - ein großer Teil wird zu dieser Tageszeit im Wasser unterwegs sein und Nahrung sammeln. Ein paar hundert Pinguine sind allerdings schon unterwegs. Es handelt sich größtenteils um Magellanpinguine mit den zwei weißen Streifen an der Brust.


Pinguinstrand an der Isla Martillo.


Zwei Magellanpinguine auf der Isla Martillo.

Zudem sehen wir einen einzelnen Eselspinguin herumwatscheln. Dieser sticht durch die Orangefärbung von Schnabel und Flossen natürlich extrem aus der Masse heraus. Eigentlich haben wir ja schon vor drei Tagen bei Seño Otway nördlich von Punta Arenas jede Menge Pinguine gesehen, aber dennoch ist der Besuch auf der Isla Martillo etwas ganz besonderes. Denn von der Aussichtsplattform am Bug des Schiffes können wir nicht nur beobachten, wie die Pinguine an Land herumwatscheln. Nein, wir können auch von oben aus verfolgen, wie sich die ins Wasser hüpfenden Tiere pfeilschnell durch das sehr flache und kristallklare Wasser bewegen und dabei teilweise sogar kleine Kunststückchen wie Sprünge zeigen. Vor allem die teilweise sehr akrobatische Technik, mit der sich die Pinguine mit viel Schwung aus dem Wasser an Land katapultieren ist sehr beeindruckend.


Ein Eselspinguin.

Viel weiter nach Osten bringt uns unser Schiff nicht. Es legt an der Mole der nicht weit entfernten Estancia Haberton an. Diese Farm wurde 1887 vom Missionar und Sprachwissenschaftler Thomas Bridges gegründet und ist damit die älteste Estancia auf Feuerland. Bridges kam 1871 nach Ushuaia und leitete dort 17 Jahre lang die Anglikanische Mission. Er setzte sich sehr für die Belange der Ureinwohner ein, konnte aber deren fast komplette Ausrottung durch Verfolgung und eingeschleppte Krankheiten nicht verhindern. Er quittiere frustriert seinen Dienst und zog mit seiner Familie auf die Estancia Haberton. Später wurde Bridges dadurch berühmt, dass er ein Wörterbuch der Sprache der Yamana-Indianer schrieb - mit 32000 Einträgen. Ein großer Teil der Passagiere geht an der Enstancia von Bord - für einen dreistündigen Aufenthalt inklusive Museumsbesuch. Anschließend geht es mit dem Bus zurück nach Ushuaia. Wir haben uns für die Rückfahrt mit dem Schiff entschieden und bleiben daher an Bord. Die Fahrt zurück nach Ushuaia verläuft ereignislos - an den Inseln mit Pinguinen, Kormoranen und Seelöwen wird vorbei gefahren. Während der Fahrt kommen wir mit einigen anderen Reisenden aus Deutschland ins Gespräch: Zwei alleinreisende Mädel, die nach ihrem Studium einen Monat eine Sprachschule in Buenos Aires besucht haben und nun als Backpacker quer durch Südamerika unterwegs sind. Und ein Pärchen etwa in unserem Alter, die nach einem Aufenthalt in Buenos Aires nach Ushuaia geflogen sind und heute Abend nach El Calafate weiter fliegen wollen. Sehr viel mehr Pläne haben sie für ihren Urlaub noch nicht und so folgt ein angeregter Austausch von Erfahrungen. Wir sind ein klein wenig neidisch, weil alle anderen noch einen längeren Aufenthalt in Südamerika vor sich haben, während wir ja schon ganz kurz vor unserer Rückreise stehen.


Estancia Haberton.

Wieder zurück in Ushuaia besuchen wir das Museo Fin del Mundo, welches gestern ja geschlossen hatte. Dieses ist untergebracht in zwei nicht allzu weit voneinander entfernt stehenden Gebäuden an der Hafenfront der Stadt: Dem ehemaligen Gouverneursgebäude und einer ehemaligen Filiale der Banco de Argentina. Das Museum bietet eine sehr nette Ausstellung über die Geschichte von Feuerland, beginnend von den Ureinwohnern bis heute. Alles ein wenig kreuz und quer durcheinander aber sehr liebevoll und mit viel Charme aufbereitet. Ein Museum, das uns sehr gut gefällt. Interessant finden wir auch die Episoden der Geschichte dieser Insel, an denen Deutsche beteiligt waren, von denen wir aber dennoch noch nie etwas gehört haben. Zum Beispiel der Untergang des Passagierschiffs Monte Cervantes 1930 direkt vor Ushuaia. Der Kapitän dieses der Hamburg Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft gehörenden Passagierschiffs verließ den Hafen von Ushuaia korrekt nach Südosten und hätte für die geplante Weiterfahrt nach Westen hinter dem Faro les Éclaireurs scharf nach Steuerbord abdrehen müssen. Leider bog er jedoch schon vor dem Leuchtturm ab und fuhr sein Schiff so direkt in die zahlreichen Untiefen und Inseln, vor denen der Leuchtturm ja gerade warnen soll. Die Monte Cervantes lief auf eine dieses Untiefen und wurde dabei schwer beschädigt. Sie ging allerdings nicht vollständig unter. Bis auf den Kapitän überlebten alle 1300 Personen an Bord und mussten notdürftig in Ushuaia untergebracht werden - für die damals gerade einmal 800 Einwohner der Stadt war das eine fast nicht zu bewältigende Aufgabe. Dieses Unglück sorgte für so großes internationales Aufsehen, dass die Monte Cervantes heute noch als "Titanic des Südens" bezeichnet wird. 1954 sollte das Wrack geborgen und nach Ushuaia geschleppt werden. Bei der Bergungsaktion riss allerdings im schlechten Wetter ein Tau und es platzte ein Luftkissen, woraufhin das Wrack endgültig im Beaglekanal versank. Eine andere interessante Geschichte dreht sich um den Marinepiloten Gunther Plüschow, der für seine Flüge in China als "Flieger von Tsingtao" berühmt wurde. Ab 1925 unternahm Plüschow insgesamt drei Flugexpeditionen nach Patagonien und Feuerland, wo er als erster die Darwin-Kordillere, Kap Hoorn und die Torres del Paine überflog. Bei einem Flug zum Glaciar Perito Moreno kam Plüschow 1931 ums Leben, als sein Flugzeug in den Lago Argentino stürzte.


Museo Fin del Mundo in Ushuaia.

Da noch etwas Zeit bis zum Abendessen bleibt, schlendern wir noch ein wenig durch die Stadt und schauen uns in einigen Geschäften um. Zum Essen gehen wir in ein sehr nettes Restaurant. Kurz nach uns kommt eine aus Deutschen bestehende riesige Reisegruppe und übernimmt lautstark den Rest des Lokals. Was sind wir froh, alleine unterwegs zu sein. Als wir zu unserem am Hafen abgestellten Auto zurückgehen, beobachten wir noch eine Argentinierin, die leichte Probleme mit der Elektronik ihres Autos hat: Zuerst trötet die Alarmanlage los. Diese wird schnell deaktiviert, dafür bewegen sich nur einige Sekunden später die Scheibenwischer lautstark über die komplett trockene Frontscheibe. Wir schmunzeln, fahren zurück in unser Hotel und gehen ins Bett.

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