10.11.2011: El Chalten - Wünderlich

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Donnerstag, 10.11.2011: El Chalten
Als wir nach dem Aufstehen aus dem Fenster schauen, sind wir zunächst einmal enttäuscht: Der Himmel scheint komplett bewölkt zu sein. Aber schon im Verlauf des leckeren Frühstücks bessert sich das Wetter merklich. Wir sind zu dieser frühen Stunde alleine im Frühstücksraum der Hosteria. Die für heute geplante Wanderung soll uns zur Laguna de Los Tres führen, direkt unterhalb des Fitz Roy. Die Länge dieser Tour beträgt etwa acht Kilometer one way. Der Trail startet direkt an unserer Hosteria - genau unter diesem Gesichtspunkt haben wir uns diese Übernachtungsmöglichkeit nämlich auch ausgesucht. Dass wir zwar im Frühstücksraum alleine sind, dasselbe aber nicht für den Trail gelten wird, zeigt uns während des Essens der Blick nach draußen: Wir sehen wie im stetigen Strom Hiker mitsamt großer Rucksäcke aus ankommenden Autos aussteigen und die Autos dann zum für Tagesgäste vorgesehenen Parkplatz zurück fahren. Nachdem wir uns ausreichend gestärkt haben, brechen wir auch auf und sind entgegen unserer Erwartungen und Befürchtungen für einen großen Teil der Wanderung völlig alleine unterwegs. Der Weg führt zunächst nach Südwesten, direkt am Ufer des Rio Blanco entlang. Hier kommen wir nach ein paar Minuten Fußmarsch an einem kleinen Häuschen vorbei, in dem es laut summt und in das ein direkt vom Fluss gespeistes Wasserrohr hineinführt. Kommt hier etwa der Strom unserer Hosteria her?


Wolkenküche im Tal des Rio Electrico.

Im weiteren Verlauf knickt der Weg leicht nach Süden ab und löst sich vom Fluss. Wir kommen durch einen schönen, lichten und hellen Südbuchenwald mit vielen Vögeln. Der Weg gewinnt langsam aber stetig an Höhe. Nach einiger Zeit stehen mitten auf dem Trail zwei Pferde, die zwar nicht zur Seite treten als wir uns nähern, sich aber problemlos umgehen lassen. Direkt danach kommen wir zur Nationalparkgrenze, markiert durch ein schlichtes Holztor. Das Gebiet, das sich direkt nördlich des Nationalparks anschließt und in dem sich auch unsere Hosteria befindet, ist zwar auch geschützt, befindet sich aber in Privatbesitz.


Da steht ein Pferd auf dem Weg...

Der Weg schlängelt sich weiter durch den Wald, nun immer im Wechsel bergauf und bergab, in der Summe gesehen aber immer noch leicht bergauf. Erster Höhepunkt des Tages ist es, als sich zu unserer rechten Seite der Wald lichtet und der Blick auf den Glaciar Piedras Blancas frei wird. Dieser wild zerklüftete Gletscher fließt in einen von einer Moräne umschlossenen Gletschersee, der sich ungefähr auf Höhe unseres Weges befindet und von tief grünem Wald umgeben ist. Der dunkle Wald stellt einen fantastischen Kontrast zur glänzend weißen und türkisgrünen Farbe des Gletschers dar. Ein toller Anblick.


Glaciar Piedras Blancas.


Kurz vor dem Campamento Poincenot.

Wir laufen noch ein gutes Stück weiter durch den Südbuchenwald, dann knickt der Weg nach Westen ab, verlässt kurzfristig den Wald und erreicht schließlich den wieder innerhalb von hohen Bäumen gelegenen Campamento Poincenot. Dieser einfache Campground ist gut besucht. Wir sehen viele Zelte und jede Menge frühstückende Camper. Bis jetzt haben wir zwar schon einiges an Höhe gewonnen, der deutlich anstrengendere Teil der Wanderung liegt dennoch noch vor uns. Dieser Teil ist auch schon von kurz nach dem Campground aus gut zu erkennen: In Richtung Westen - da wo auch der Fitz Roy steht - steilt sich die Seite das Tals deutlich auf. Und der Trail führt genau hier in sehr vielen Serpentinen hinauf. Nachdem wir das breite Bett des Rio Blanco über- und noch ein kurzes Stück Wald durchquert haben, erreichen wir die ersten Serpentinen. Hier kommen wir auch am Campamento Rio Blanco vorbei, einem winzigen primitive Campground. Das nun folgende Stück Weg zieht sich ein wenig, letztendlich flacht der Trail nach einiger Anstrengung aber wieder deutlich ab.


Steiler Anstieg zur Laguna de los Tres.

Nun liegt als letzte Schwierigkeit nur noch eine Gletschermoräne vor uns, die wieder über ein steiles Wegstück erklommen wird. Auf der Kante der Moräne bietet sich uns ein phänomenaler Blick: Vor uns liegt die Laguna de los Tres. Aber wir sehen nicht den erwarteten türkisfarbigen Gletschersee, sondern eine große flache weiße Fläche. Der See ist noch zugefroren und mit Schnee bedeckt. Einer der Wanderer, die vor uns hier sind, ist wagemutig und probiert aus, ob das Eis sein Gewicht trägt. Zum Glück hat er Erfolg damit. Direkt hinter dem See liegt der schöne Gipfelaufbau des Fitz Roy. Der Gipfel selber steckt leider in mehr oder weniger dichten Wolken und ist nur ab und an kurz zu erahnen. In der Gegenrichtung sehen wir das weite Tal des Rio Blanco, weiter im Süden die Laguna Madre und Laguna Hija sowie noch weiter südlich den großen Lago Viedma.


Die noch mit Eis bedeckte Laguna de los Tres.


Laguna Madre und Laguna Hija. Ganz im Hintergrund ist der Lago Viedma zu erkennen.

Wir machen erstmal eine Pause, während der wir zuerst zwei und dann drei Kondore sehen, die majestätisch die großen Berggipfel umkreisen. Dann wollen wir mögliche Routen für den Weiterweg auskundschaften. Von hier aus soll es einen Trail zur Laguna Suica geben, das ist der im nächsten Tal in südlicher Richtung fast dreihundert Meter unter uns gelegene Nachbarsee der Laguna de los Tres. Von dort aus könnten wir wieder zurück zum Campamento Poincenot laufen.


Kondor vor Fitz Roy.

Wir machen uns auf und erreichen nach einigen Metern eine kleine Hochebene mit einem schönen Aussichtspunkt auf die Laguna Suica. Der Blick auf diesen See ist sensationell: Die Eisschicht hat vor einiger Zeit zu schmelzen begonnen und ist auseinandergebrochen. Nun ist der tief türkisgrüne See über und über mit großen Eisschollen bedeckt. In den See ergießt sich über eine ziemlich hohe Abbruchkante der gigantische Glaciar Rio Blanco. Während wir dort stehen und den Gletscher bewundern, erleben wir einen größeren Abbruch mit: Unter gigantischem Getöse löst sich ein großes Stück Gletschereis und stürzt, in seine Einzelteile zerlegt und einem Wasserfall ähnlich, über die Kante in den See. Ein faszinierendes Erlebnis.


Laguna Suica.

Aufgrund des hier oben herrschenden extrem starken und kalten patagonischen Windes denken wir dennoch nach einiger Zeit an den Aufbruch. Irgendwann halten halt selbst gute Trekkingklamotten nicht mehr hundertprozentig warm. Den angeblich vorhandenen Weg zur Laguna Suica finden wir nicht. Von unserer Hochebene aus gesehen lassen sich zwar einige Kamine in der Felswand zwischen uns und der Laguna erkennen, durch die mit etwas Phantasie betrachtet ein Weg führen könnte. Ob das aber so stimmt oder ob diese Kamine nicht doch in einer senkrechten Wand enden, lässt sich nicht erkennen. Die einzige erkennbar etwas flachere Alternative führt durch ein nicht komplett einzusehendes schneebedecktes Kar. Die Entscheidung ist klar: Kein unnötiges Risiko eingehen - also genauso runter wie hoch.


Abstieg über die Serpentinen zum Campamento Poincenot.

Als wir über die Serpentinen wieder bergab in Richtung Campamento Poincenot marschieren, kommt uns ein stetiger Strom von Hikern entgegen. Unten, kurz hinter dem Campground spricht uns ein japanischer Familienvater an. Er ist mit Frau und zwei Kindern unterwegs, offensichtlich auf einer Tageswanderung. Sie wollen wissen, wie weit es noch zum auf ihrer Karte eingezeichneten Campamento Rio Blanco ist. Naja, dieser ist ungefähr 30 Minuten entfernt, aber was wollen die auf einem primitive Campground irgendwo auf dem Weg zur Laguna de los Tres? Wir empfehlen - falls die Kondition ausreicht - doch gleich noch die maximal eineinhalb Stunden zu investieren und ganz hoch zu laufen. Aber das sei doch noch so weit, wird uns beschieden. Und die beiden Kinder schauen auch nicht wirklich glücklich drein. Wir würden im Nachhinein gerne wissen, wie weit diese Familie im Laufe des Tages noch gekommen ist und ob der Rückweg auch noch geklappt hat.


Patagonische Frühlingslandschaft.


Der Rio Blanco kurz vor unserem Hotel.

Wir laufen jedenfalls Richtung Norden, immer parallel zum Rio Blanco, wieder zurück zu unserer Hosteria. Der Himmel ist inzwischen nahezu wolkenlos - einzig der Fitz Roy hüllt sich noch dick in Watte. Den verbleibenden Rest des Nachmittags verbringen wir in unserer Lodge. Wir sitzen zunächst eine Weile auf der Terrasse, dann im gemütlichen Aufenthaltsbereich an der kleinen Bar. Dabei freunden wir uns auch mit der äußerst flauschigen und weichen Katze der Hosteria an.

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