14.11.2011: Paine Grande Lodge - Wünderlich

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Montag, 14.11.2011: Paine Grande Lodge
Wir können erstaunlich gut schlafen und stehen um sieben Uhr auf. Die restlichen Bewohner unseres Sechsmannzimmers schlafen alle noch. Auch in den Waschräumen setzt erst so langsam Betrieb ein und im Frühstücksraum sind wir fast völlig alleine. Zum Frühstück essen wir unter anderem ein Rührei, welches grob geschätzt zu vielleicht 10 % aus Ei besteht - der Rest ist Wasser. Danach ziehen wir unsere Bergschuhe an, setzen die Rucksäcke auf und los geht's. Der Himmel ist mehr oder weniger komplett mit Wolken bedeckt. Aber immerhin ist es trocken. Trotzdem entscheiden wir uns, heute nicht in die Berge zu gehen, sondern die flachere der beiden möglichen Wanderungen zu machen. Die Tour die daher auf dem Programm steht, führt zuerst von Lago Pehoe zum westlich davon gelegenen Lago Grey und an dessen östlicher Seite nach Norden zum Refugio Grey, einer kleinen Hütte mit Übernachtungsmöglichkeit. Auf ungefähr halber Strecke zwischen der Paine Grande Lodge und dem Refugio Grey gibt es einen erhöht gelegenen Aussichtspunkt auf den Glaciar Grey, der in das Nordende des Lago Grey fließt. Vom Refugio Grey aus wollen wir soweit in Richtung Gletscher laufen wie es die Zeit zulässt, am besten bis zum Campamento los Guardas. Das wären dann 13 Kilometer one way. Diese Strecke ist ein Teil des berühmten Circuito, einer Mehrtageswanderung, die um das komplette Torres del Paine-Massiv herumführt. Für den Wanderer mit weniger Zeit gibt es als Alternative zum Circuito noch das nicht weniger berühmte "W", in dessen Verlauf die schönsten Punkte von der Südseite der Berge aus angelaufen werden. Unsere heutige Rute entspricht dem linken vertikalen Strich des (etwas eckig geschriebenen) "W".


Beginn des Trails von der Paine Grande Lodge in Richtung Refugio Grey.

Der Weg führt zunächst durch niedriges Buschwerk, vorbei an einem kleinen Gebäude der Parkverwaltung und knickt dann nach Nordwesten ab. Jetzt laufen wir in Richtung eines schmalen Durchlasses in den felsigen Hügeln, die die flache Gegend rund um die Paine Grande Lodge komplett umschließen. Überall um uns herum blühen die knallroten Notro-Bäume. Hinter dem Durchlass geht es bergauf und durch ein Dickicht von niedrigen Südbuchen. Die Bäume werden höher und nach einiger Zeit kommt die Laguna los Patos in Sicht, ein kleiner See, der sich aus uns unerfindlichen Gründen hier oben auf der Hochebene halten kann.


Die Laguna los Patos.

Es ist sehr windig und die Oberfläche der Laguna wird von den Böen ziemlich heftig aufgewirbelt. Im munteren Bergauf und Bergab kommen wir zum Aussichtspunkt auf den Glaciar Grey, welcher zu beiden Seiten der baumbestandenen Isla Nunatak in den See fließt. Trotz des recht düsteren Wetters kommt die Türkisfarbe des Gletschers toll zur Wirkung.


Erster Blick auf den Glaciar Grey.

Aufgrund des stürmischen Winds brechen wir nach nur kurzer Zeit vom Aussichtspunkt wieder auf und laufen weiter in Richtung Refugio Grey. Der Weg führt zunächst steil bergab und in einen dichten Südbuchenwald. Hier kommen wir nach einiger Zeit zur Baustelle einer größeren Lodge, welche offensichtlich in Kürze das rustikale Refugio Grey als Übernachtungsmöglichkeit ersetzen soll. Im Stile der Paine Grande Lodge sollen mehr Wanderer bequemer untergebracht werden. Ein Trend der sich fortsetzen wird? Werden solche Lodges in ein paar Jahren entlang des gesamten Circuito oder zumindest entlang des gesamten "W" stehen? Laut Baustellenschild hätte die Eröffnung im Oktober 2011 stattfinden sollen. Das Gebäude schaut schon recht fertig aus, es sind allerdings noch ein paar letzte Arbeiten zu erledigen. Als wir vorbei gehen, sind gerade ein paar Arbeiter dabei, ein Wasserrohr zu verlegen.


Eisberge auf dem Lago Grey.

Nur wenige Minuten hinter der neuen Lodge kommen wir zur Abzweigung, an der es nach links zur alten Refugio Grey geht und geradeaus Richtung Campamento los Guardas. Laut Parkplan ist dieser Campground zwei Stunden entfernt, laut dem hier stehenden Schild 1.5 Stunden und laut unserem Wanderführer eine Stunde. Was stimmt denn nun? Wir laufen geradeaus weiter, zunächst durch lichten Laubwald. Ab und an können wir durch die Bäume einen Blick auf den vor uns liegenden Gletscher erhaschen. Leider hat es inzwischen angefangen zu regnen, und zwar relativ stark. Als wir knapp 30 Minuten hinter der Abzweigung zum Refugio Grey zu einem schönen Aussichtspunkt auf den Gletscher kommen, entscheiden wir uns umzudrehen. Im weitern Verlauf verlässt der Weg nämlich für eine Weile den Wald und eine Erfahrung wie die vor zwölf Tagen buchstäblich ins Wasser gefallene Wanderung zum Glaciar Yelcho an der Carretera Austral pro Urlaub ist mehr als genug. Wir wollen zum Refugio Grey zurück laufen und dort etwas abwarten. Während des Wegs zurück bestätigt es sich, dass unsere Entscheidung die richtige war, denn die Stärke des Regens nimmt noch deutlich zu. Eine Stunde, nachdem wir das erste Mal dort vorbei marschiert sind, erreichen wir wieder das Refugio Grey und setzen uns in die gemütliche Gaststube. Die Hütte liegt direkt am Seeufer und entspricht viel mehr dem Bild einer Berghütte, wie sie auch in den europäischen Bergen stehen könnte, als die große und lärmende Paine Grande Lodge. Es sind jede Menge andere Wanderer hier, zumeist haben diese hier in der Hütte oder im benachbarten Campground übernachtet. Nach einiger Zeit hellt sich der Himmel draußen deutlich auf. Der patagonische Wind hat die dunklen Wolken zumindest zeitweise vertrieben und über uns prangt am Himmel ein mehr oder weniger großes blaues Loch in den Wolken.


Refugio Grey.

Wir halten Kriegsrat und entscheiden uns nach längerer Diskussion, einen zweiten Versuch zu unternehmen, den Campamento los Guardas zu erreichen. Da wir ja sehr früh losgelaufen sind, müsste sich das auch zeitlich mit dem Beginn des Abendessens locker ausgehen. Den ersten Teil des Weges kennen wir ja schon. Hinter dem Mirador, an dem wir beim ersten Versuch umgedreht sind, wird der Weg deutlich interessanter weil alpiner. So müssen wir zum Beispiel mehrere tief ausgewaschene Bachbetten überqueren. Im Verlauf des Weges hören wir einmal ein sehr lautes Grummeln und Scheppern. Da hat sich scheinbar ein größeres Stück Eis vom Gletscher gelöst und ist in den See gefallen. Zu unserer großen Überraschung erreichen wir nach nur gut 45 Minuten den Campground. Dieser liegt etwas langweilig aber recht idyllisch mitten im Wald. Ein paar Meter entfernt finden wir einen tollen Aussichtspunkt auf Lago Grey und Glaciar Grey. Der Blick auf den Gletscher ist vor allem deswegen atemberaubend, da wir uns im Gegensatz zu unseren Gletschererlebnissen im Parque Nacional los Glaciares nicht auf selber Höhe mit dem Gletscher oder nur leicht erhöht befinden. Stattdessen schauen wir aus gut 150 Metern Höhe auf die riesige zerklüftete Oberfläche des Gletschers hinab. Dieser wird - ebenso wie der Luftlinie nur etwa 55 Kilometer entfernte Glaciar Perito Moreno - aus dem südpatagonischen Eisfeld gespeist. Wir können den Verlauf des Eises in Richtung Eisfeld für ein gutes Stück verfolgen, bis uns die immer noch vorhandenen Wolken den Blick versperren. Ein phantastischer Anblick. Eine frische dunkeltürkisfarbene Wunde an der helltürkisfarbenen Gletscherfront zeigt uns, wo der Eisabbruch stattfand, den wir vor ein paar Minuten gehört haben. Wir genießen den Ausblick ausgiebig und kehren denn um.


Glaciar Grey vom Campamento los Guardas aus gesehen.


Frischer Eisbruch am Glaciar Grey.

Der Rückweg verläuft komplett entlang unserer Anmarschroute. Bis kurz hinter dem Refugio Grey wechseln sich blauer Himmel und ganz leichte Regenschauer immer wieder ab. Wir befürchten noch, dass der Regen den Kampf um die Vorherrschaft über das Wetter gewinnt. Dann allerdings zeigt sich Patagonien völlig unerwartet von seiner schönsten Seite: Die Wolken verschwinden Stück für Stück und die schon tief stehenden Sonne taucht die Landschaft in ein phantastisches Licht. Die türkisgrüne Farbe des Gletscherwassers im Lago Grey kommt perfekt zur Geltung. Ungefähr auf halber Strecke zwischen Refugio Grey und der Paine Grande Lodge sehen wir in kurzem Abstand zwei Kondore, die über uns in sehr niedriger Flughöhe ihre Kreise ziehen.


Blick auf den Lago Grey mit Kondor.


Ein Kondor.


Interessante Gesteinsstrukturen.

Die direkt links neben uns befindlichen über 3000 Meter hohen Gipfel des Cerro Paine Grande sind noch in Wolken gehüllt, aber als wir uns um 18:00 Uhr wieder unserer Lodge nähern, erwartet uns eine besondere Überraschung: In nördlicher und nordöstlicher Richtung, wo gestern Abend und heute morgen nur eine Wolkenküche zu sehen war, steht komplett wolkenfrei der östliche Teil des Torres del Paine-Massivs, komplett mit den berühmten Cuernos. Super.


Erster Blick auf den Lago Pehoe während dem Rückmarsch zur Paine Grande Lodge.


Abendlicher Blick auf die wolkenfreien Cuernos.

Das Abendessen bestätigt unsere gestern gemachten Erfahrungen. Der Nachtisch besteht beispielsweise nicht - wie angekündigt - aus einer Vanillemousse, sondern aus Wasser, welches irgendwie in eine feste Form gebracht und mit einem ganz leichten Vanillegeschmack versehen wurde. Nach dem Essen spannen wir aus und gehen früh ins Bett. Hoffentlich bleibt das Wetter bis morgen gut.
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