09.11.2011: El Chalten - Wünderlich

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Mittwoch, 9.11.2011: El Chalten
Nachdem wir gestern schon mehr oder weniger erfolgreich außerhalb von El Chalten den Sonnenaufgang angeschaut haben, schlafen wir heute ein wenig länger aus. Die Wolken, die gestern früh vor der aufgehenden Sonne hingen, haben es sich heute Morgen um den Fitz Roy herum gemütlich gemacht. Mit der Folge, dass wir nach dem Aufstehen aus dem Fenster einen in Watte gehüllten aber wunderschön rot angestrahlten Fitz Roy bewundern dürfen.


Fitz Roy im Licht der Morgensonne.

Nach dem Frühstück checken wir aus dem Hotel aus und machen uns auf den Weg zu unserer heutigen Wanderung. Sind wir gestern relativ eben zur Laguna Torre unterhalb des Cerro Torre gelaufen, steht nun ein erhöhter Aussichtspunkt auf die Laguna Torre und den Cerro Torre auf dem Programm: Der Loma del Pliegue Tumbado, immerhin 1490 Meter hoch und somit 1090 Meter höher als El Chalten. Die Wegstrecke beträgt 12 Kilometer one way. Wir fahren mit dem Auto das kurze Stück zum Nationalpark-Informationszentrum am Ortsausgang und laufen los. Die ersten Meter des Weges kennen wir schon, diese sind identisch mit unserer Willkommens-Tour vorgestern Abend auf den Mirador de Condor und den Mirador de Aguilar. Nach der Abzweigung zu diesen beiden Aussichtspunkten geht es nahezu stetig bergauf. Zunächst über eine Wiesenlandschaft - hier entlang einer kleinen aber sehr beeindruckenden Flussschlucht - dann durch bzw. entlang von Ansammlungen von kleinen und verkrüppelten Südbuchen. Wenn wir uns umdrehen, sehen wir schon El Chalten unter uns im Tal liegen, rechts vor uns spitzen immer wieder Cerro Torre und Fitz Roy über den vor uns liegenden Bergrücken hinaus.


Rückblick auf El Chalten vom Trail auf den Loma del Pliegue Tumbado.


Der Trail zum Loma del Pliegue Tumbado.

Die Bäume entlang des Weges werden mit zunehmender Höhe immer größer. Nach etwa einer Stunde erreichen wir eine Art Hochebene, auf der sich der Wald etwas lichtet. Der Weg ist hier teilweise sehr verschlammt und ein Weiterkommen ist mit so mancher Balanceaktion über in den tiefen Schlamm gelegte Äste verbunden.


Fitz Roy.

Vor uns ist in einiger Entfernung schon der baumlose Gipfelhang des Loma del Pliegue Tumbado zu sehen. Dieser ist mit Schnee bedeckt, allerdings nicht komplett. Mal schauen, ob sich dort ein vernünftiger Weg finden lässt. Zunächst laufen wir aber noch ein gutes Stück durch einen wunderschönen Südbuchenwald. Hier zweigt auch der lange Trek zur Laguna Toro ab - Hin und Rückweg zu diesem Bergsee sind vernünftigerweise nur mit einer Übernachtung auf dem dortigen Campground zu schaffen. Als wir den Wald verlassen, ändert sich der Landschaftseindruck plötzlich komplett. Wir stehen vor einem karg bewachsenen Anstieg, der ebenso auch irgendwo in Schottland zu finden sein könnte. Ohne den Schutz des Bergwaldes kann nun auch der berüchtigte patagonische Wind voll zuschlagen - was zu einer deutlichen Verringerung der empfundenen Temperatur führt. Zum Glück haben wir mehrere Schichten Kleidung sowie Handschuhe und Mützen mit dabei.


Karger Gipfelaufbau nach dem Verlassen des Waldes.

Wir gehen flott weiter und kommen bald vom karg bewachsenen Bereich auf eine nur noch aus Schotter bestehende Hochebene. Der Verlauf des Weges wird hier durch kleine Markierungen angezeigt. Wir laufen diese Hochebene ein Stück nach Nordwesten und sind sprachlos wegen des tollen Blicks, der sich uns bietet: Wir sehen tief unter uns das Ziel unserer gestrigen Wanderung, die milchiggraue Laguna Torre. Darum das geschwungene Rund der Gletschermoräne, auf der wir gestern herumgelaufen sind. Links davon sehen wir das Ende des Glaciar Grande und dahinter das Fitz Roy-Massiv mit Cerro Torre und Fitz Roy. Der Himmel ist nahezu komplett wolkenfrei, nur an den Bergen hängen ein paar kleinere Wattebäusche. Wir pausieren erst mal ausgiebig und genießen den phantastischen Ausblick.


Blick auf Laguna Torre, Cerro Torre und Fitz Roy.

Am Gipfel des Loma del Pliegue Tumbado sind wir allerdings noch nicht, denn dieser befindet sich noch etwas mehr als 100 Höhenmeter höher. Im Sommer alles kein Problem, doch nun liegt dort noch einiges an Schnee, der auch den offiziellen Weg nahezu komplett bedeckt. Es würde sich der frontale Weg über ein großes Schneefeld anbieten, aber das scheint nicht zu klappen: Wir beobachten einen einzelnen Wanderer, der den Versuch unternimmt, aber ein paar Meter unterhalb des Gipfels wieder umkehren muss. Scheinbar wird das Schneefeld hier zu steil.


Hier wollen wir noch hoch.

Eine Gruppe von französischen Wanderern versucht scheinbar, um den Berg herumzugehen, um von dort aus leichter auf den Gipfel zu gelangen - mit Erfolg, wie wir später sehen werden. Wir entscheiden uns nach kurzem Kriegsrat für einen leicht modifizierten Frontalangriff: Zwar von vorne hoch, aber soweit wie möglich um die Schneefelder herum bzw. diese an möglichst flachen Stellen queren. Diese Strategie geht recht gut auf. An einigen schneefreien Stellen können wir sogar ein paar Meter auf den offiziellen Weg gehen. Nach der Überquerung einer aus größeren Felsbrocken bestehenden Rippe befinden wir uns nur noch etwa zehn Höhenmeter vom Gipfel entfernt und nun wird es knifflig: Es geht nur noch über Schnee weiter und der Hang ist hier ziemlich steil. Unsere Grödel sind nicht hilfreich, denn der tiefe Schnee ist von der Sonne angeschmolzen und schon ziemlich weich. Also bleibt nur, mit den Bergstiefeln konzentriert Stufen zu hacken und zu hoffen, dass der Schnee hält. Das tut er, und nur zwei Minuten später stehen wir auf einem großen Gipfelplateau. Wo sich denn nun der eigentliche Gipfel des Bergs befindet, ist nicht so ganz klar. Wir finden einen großen Findling mit einem Steinmännchen oben drauf und definieren für uns diese Markierung als Gipfel.


Blick auf den Lago Viedma.


Blick nach Norden auf die Laguna del Pato.

Der Blick auf das Fitz Roy-Massiv und die Laguna Torre ist von hier oben auch nicht so wirklich viel anders, als von der 100 Meter tieferen Hochebene. Allerdings haben wir vom Gipfelplateau aus einen viel schöneren Blick auf den riesigen Lago Viedma, der bis weit in die patagonische Steppe hinein reicht. Außerdem sehen wir in das Tal des Rio Tunel, in dem auch die Laguna Toro liegt. Auch das äußerste Ende des in dieses Tal fließenden Glaciar Tunel ist gerade so zu erkennen. Nach einer längeren Gipfelpause treten wir den Rückweg an. Nach Überqueren der etwas kniffeligen Stelle direkt unterhalb des Gipfels verläuft der erste Teil des Abstiegs sehr schnell und auch sehr spaßig: Im Gegensatz zum Aufstieg umgehen wir die Schneefelder am Gipfelhang nun gerade nicht mehr sondern fahren diese ab. Ab der 100 Meter unterhalb des Gipfels gelegenen Hochebene verläuft der Abstieg entlang der Anstiegsroute. Waren wir bei dem Weg nach oben noch nahezu alleine gewesen, so ist nun beeindruckend viel Gegenverkehr unterwegs, teilweise in riesigen Gruppen.


Und wieder bergab...

Knapp 6.5 Stunden nachdem wir losmarschiert sind, stehen wir wieder am Informationszentrum des Nationalparks. Dieses hat nun sogar geöffnet, so dass wir uns ausgiebig darin umschauen. Hier gibt es eine sehr schöne Ausstellung, hauptsächlich über die Fauna des Nationalparks. Ein anderer Schwerpunkt liegt auf dem hier in der Gegend betriebenen Bergsport. Es werden alle Berggipfel vorgestellt, inklusive Topos der gängigen Anstiegsrouten. Die Schwierigkeitsgrade, die zu überwinden sind um die schroffen Bergnadeln zu besteigen, nötigen uns einiges an Respekt ab. Sehr interessant finden wir auch zwei lebensgroße Puppen von Kletterern, die den Unterschied zwischen vielleicht 100 Jahre alter und moderner Bergausrüstung demonstrieren sollen. Echt interessant, mit welch rudimentärem Equipment die Menschen noch vor einigen Jahrzehnten auf die technisch anspruchsvollsten Berge gestiegen sind bzw. zumindest versucht haben, hinaufzusteigen.

Wir fahren in die Stadt, decken uns mit Vorräten ein und löschen in einem Cafe unseren Durst. Dazu gönnen wir uns neben je einer kühlen Limonade eine für Argentinien typische Spezialität: Einen Submarino. Dabei handelt es sich um eine Trinkschokolade, deren Schokoladeanteil noch in fester Form serviert wird. Wir bekommen je eine Tasse heißer Milch und ein Stück Schokolade. Die Schokolade wird in die Milch eingetaucht und löst sich langsam darin auf. Sehr lecker. Der Name Submarino kommt daher, weil wohl das Untertauchen der Schokolade in der heißen Milch irgendjemanden an das Untertauchen eines U-Boots erinnert hat. Wir verlassen El Chalten in nordwestlicher Richtung. Hier ist die Straße wieder unasphaltiert. Unser erstes Ziel ist der Chorrillo del Salto, ein nur wenige hundert Meter Fußweg von der Straße entfernter Wasserfall. Dieser ist zwar im Prinzip sehr nett. Allerdings sind wir zur absolut falschesten Tagszeit hier, denn der Wasserfall liegt aufgrund des nachmittäglichen Sonnenstands komplett im Schatten. Wir entscheiden uns, noch mal wiederzukommen und laufen zurück zum Auto. Dabei entdecken wir in einem Busch direkt am Parkplatz zwei Papageien, die dort an Blüten knabbern. Wir beobachten die Vögel eine Zeit lang und sehen, wie einer der Papageien eine abgerissene Löwenzahlblüte in seine Klaue nimmt, hochhält und genüsslich abknabbert. Wie ein Mensch, der ein Eis an Stiel genießt.


Löwenzahn fressender Smaragdsittich.

Wir fahren die Straße noch ein Stück weiter. Hier öffnet sich das zuvor sehr schmale Tal des Rio de las Vueltas. Eine wunderschöne urwüchsige Landschaft, die uns entfernt an Kanada erinnert. Im Prinzip führt die Straße von hier aus nirgendwo hin: Sie endet in einem schmalen Tal am Südufer des Lago del Desierto. Von hier aus könnte man mit dem Schiff auf die andere Seite des Sees übersetzen. Dann sind es 22 Kilometer zu Fuß zum Lago O'Higgins, wobei die Grenze nach Chile überquert wird. Der Lago O'Higgins lässt sich wieder mit dem Schiff überqueren - dann landet man in O'Higgins, der Stadt am allersüdlichsten Ende der Carretera Austral. Eine Traumroute für Backpacker, aber nicht für Leute, die wie wir mit dem Auto unterwegs sind.


Unterwegs durch das Tal des Rio de las Vueltas in Richtung Hosteria Pilar.

Wir biegen stattdessen rund 20 Kilometer hinter El Chalten nach links ab und erreichen ein paar Minuten später die Hosteria Pilar, unser Zuhause für die kommenden beiden Nächte. Bei dieser Hosteria handelt es sich um ein sehr schönes Hotel mit riesigen Zimmern und einer tollen Gartenanlage. Nach einer herzlichen Begrüßung durch Guillermo und Cristina, den Betreibern der Hosteria, genießen wir den Rest des Nachmittags und danach das hervorragende Abendessen - ein Volltreffer.

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