24.11.2011: Punta Arenas - Wünderlich

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Donnerstag, 24.11.2011: Punta Arenas
Für unseren letzten Tag in Patagonien hatten wir drei mögliche Programme angedacht: Entweder eine Bootsfahrt zur Isla Magdalena, auf der es eine große Pinguinkolonie gibt. Nach den schönen Erlebnissen bei den Pinguinkolonien am Seño Otway und der Isla Martillo im Beaglekanal streichen wir diese Alternative. Oder wir könnten mit dem Auto die knapp 60 Kilometer Richtung Süden nach Fuerte Bulnes fahren und dort die Rekonstruktion eines 1843 errichteten chilenischen Forts anschauen. Keine zwei Kilometer entfernt von Fuerte Bulnes befinden sich die Überreste von Puerto Hambre, der 1584 angelegten ersten spanischen Siedlung hier in der Gegend. Aufgrund der spärlichen Vegetation fanden die etwa 300 Siedler von Puerto Hambre keine Nahrung und verhungerten. Der Name Puerto Hambre bedeutet auf Deutsch Hungerhafen. Nachdem wir sehr froh sind, das Auto mit einer in einem Stück befindlicher Windschutzscheibe nach Punta Arenas gebracht zu haben, verzichten wir aber auch auf diese Besichtungsmöglichkeit. Stattdessen entscheiden wir uns für eine geruhsame Stadtbesichtigung.

Also schlafen wir für unsere Verhältnisse lange aus und sind tatsächlich einmal die letzten Gäste am Frühstückstisch. Das erste Ziel unserer Besichtigungstour ist der direkt hinter unserem Hotel gelegene Cerro de la Cruz. Hier würde eine der senkrecht zur Uferlinie verlaufenden Straßen zu steil verlaufen, um dort mit den Auto hoch oder runterzufahren. In San Francisco wird an so eine Stelle die Lombard Street hingebaut und es ergibt sich eine Touristenattraktion. In Punta Arenas dagegen unterbricht man den Verlauf der Avenida Fagnano, baut Fußgängertreppen hin und oben, wo es wieder flacher wird, einen Aussichtspunkt. Das ergibt auch eine Touristenattraktion, nämlich einen tollen Aussichtspunkt, von dem aus wir die gesamte Stadt sehen, dahinter die Magellanstraße und - ganz am Horizont - Feuerland. Glücklicherweise herrscht zum ersten Mal seit einigen Tagen wieder etwas besseres Wetter und der Himmel zeigt einige blaue Stellen.


Blick vom Cerro de la Cruz auf Punta Arenas.

Nach unserem Besuch beim Cerro de la Cruz laufen wir ein Stück entlang der Avenida España nach Süden. Bei dieser Straße handelt es sich neben der Avenida Indepencia und der Avenida Colon um eine der drei breiten Prachtstraßen, die das Stadtgebiet von Punta Arenas durchlaufen. Zwischen den beiden Fahrtspuren gibt es einen breiten Grünstreifen mit interessant zurechtgestutzten Bäumen sowie jeder Menge Statuen von uns mehr oder weniger bekannten Menschen. Anhand dieser Statuen können wir feststellen, dass unser Wissensstand über die chilenisch-argentinische Geschichte im Vergleich zu vor vier Wochen merklich angewachsen ist: Einige Menschen sind im Laufe dieser Zeit von der Gruppe der uns weniger bekannten Menschen in diejenige der bekannten gewechselt.


Wandmalerei in Punta Arenas.


Statue von Bernado O'Higgins.

Wir laufen die Avenida España vor bis zur Kreuzung mit der Avenida Indepencia, folgen dieser bis ans Ufer der Magellanstraße und laufen dort etwas weiter nach Süden. Hier ist eine nette Promenade direkt am Wasser angelegt worden. Am Plaza 21 de Mayo finden wir den Hindutempel von Punta Arenas. Ein sehr interessantes Gebäude, bestehend aus einem quaderförmigen Grundkörper mit einer Kuppel obendrauf. An der Kuppel befinden sich indisch angehauchte Ornamente, die zum Beispiel Elefanten darstellen. Das alles ist in einer Art Ockerfarbe angestrichen, aber leider ist der letzte Anstrich auch schon ein wenig her und die Farbe blättert an der einen oder anderen Stelle ziemlich ab.


Hafen von Punta Arenas.

Wir laufen wieder zurück nach Norden, in Richtung Stadtzentrum. Rechts von uns zunächst die Magellanstraße, dann zum Hafen von Punta Arenas gehörende Gebäude wie Verwaltung und Lagerhallen. Auf der Höhe der Kreuzung mit der Avenida Indepencia kommen wir an einen Andenkenladen, etwas weiter befindet sich ein großer Supermarkt. Beide Geschäfte werden besucht und wir decken uns mit Mitbringseln für die daheim gebliebenen Freunde und Verwandten ein. Und auch für uns landet ein Glas Dulce de Leche im Gepäck. Hinter der Kreuzung mit der Avenida Errazuriz kommen wir an eine fast direkt an der Hafenpromenade gelegene Freifläche, die anscheinend vor nicht allzu langer Zeit liebevoll umgestaltet wurde. Im Zentrum steht ein Monument mit dem Stadtwappen von Punta Arenas und darum herum befindet sich ein geometrisches Raster. In dieses Raster eingelassen sind die Namen wichtiger Orte in Chile wie Städte, Seen, Wüsten usw. Den Abschluss bildet ein großes Wasserbecken, welches die Magellanstraße darstellen soll. Wir überqueren die Straße, um zum Ufer der echten Magellanstraße zu gelangen. Von hier aus haben wir wieder einen freien Blick auf das Wasser und auf die alte Hafenmole von Punta Arenas. Nachdem diese nicht mehr benötigt wurde, ließ man sie als Rückzugsgebiet für die heimischen Kormorane stehen. Heute besteht die Mole nur noch aus ein paar aus dem Meer ragenden Holzfragmenten. Darauf befindet sich eine beeindruckende Menge an Kormoranen.


Alte Hafenmole von Punta Arenas.


Unterwegs in Punta Arenas.

Wir laufen am Schifffahrtsmuseum vorbei nach Westen und erreichen nach zwei Straßenblöcken die Plaza de Armas. In fast allen südamerikanischen Städten und Ortschaften ist dieser Platz, der zumeist einen kompletten Block im Straßenraster einnimmt, das absolute Zentrum der Stadt, um das sich die Kirche und die wichtigsten Verwaltungsgebäude gruppieren. In Punta Arenas stehen an der Plaza die Kathedrale, diverse Hotels und Banken und einige sehr repräsentative Bauten, die von den Familien Menendez und Braun errichtet worden sind. Das sind zwei der Familien, die vor mehr als hundert Jahren durch den Handel mit Wolle ein Vermögen anhäufen konnten. Jose Menendez ist uns ja schon vor fünf Tagen begegnet, als wir uns mit der Geschichte der Estancia San Gregorio beschäftigt haben.


Palacio Sara Braun in Punta Arenas.


Repräsentatives Gebäude an der Plaza von Punta Arenas.

Allgemein wirken die Gebäude an der Plaza nicht so, wie man sich naiverweise Gebäude in einer abgelegenen Stadt am Ende der Welt vorstellen würde. Die meisten davon würden in einer der großen Metropolen der Welt auch nicht sonderlich auffallen. Der zentrale Bereich einer Plaza de Armas ist immer als schöner Park gestaltet. Hier in Punta Arenas wird eine von vielen Bäumen bestandene Rasenfläche von einem spinnennetzförmigen Netz von Wegen durchzogen. Die Wege laufen in der Mitte der Plaza zusammen, hier befindet sich eine große Statue von Fernando Magellan. Wir nutzen die schöne Plaza für eine ausgedehnte Pause und setzten dann die Erkundung der Stadt fort.


Plaza des Armas mit der Statue von Fernando Magellan.


Kathedrale von Punta Arenas.

Unser nächstes Ziel ist der große Friedhof der Stadt, etwa acht Straßenblöcke nördlich der Plaza gelegen. Der Friedhof ist von einer hohen Mauer umgeben und er beinhaltet neben jeder Menge Einzelgräber auch beeindruckende Mausoleen der reichen Familien der Stadt. Der Friedhof ist vor allem wegen dieser Mausoleen bekannt, es gibt Stimmen, die ihn als den schönsten Friedhof von Südamerika hinter demjenigen von Buenos Aires bezeichnen. Prominent vertreten sind hier natürlich wieder die Familien Menendez und Braun. Wir schauen uns ausführlich um, auch in den Bereich abseits der Mausoleen: Interessant ist hier zum einen das teilweise sehr hohe Alter der Grabsteine. Und zum anderen fällt auf, wie viele unterschiedliche Nationalitäten bei der Besiedlung von Patagonien beteiligt waren. Am prominentesten sind englischsprachige oder deutsche Grabinschriften. Es gibt auch viele Sammelgräber, zum Beispiel für Marineangehörige oder Feuerwehrmänner. Aber auch für Mitglieder der Deutschen Krankenkasse gibt es ein Grab und eines für die deutschen Marinesoldaten, die 1914 bei der Seeschlacht vor den Falklandinseln starben. Ein deutsches Geschwader hatte damals vor der chilenischen Küste bei Coronel, Luftlinie 1800 Kilometer von Punta Arenas entfernt, eine Schlacht gegen britische Kriegsschiffe überlegen gewonnen, seine Fahrt fortgesetzt und schließlich über die Zwischenstation Punta Arenas den Atlantischen Ozean erreicht. Es war geplant, Port Stanley auf den Falklandinseln anzugreifen, um an die dortigen Kohlevorräte zu gelangen. Dieser Plan scheiterte aufgrund der starken Präsenz britischer Kriegsschiffe in Port Stanley. Es wurden fünf deutsche Schiffe versenkt, wobei 2200 Menschen ums Leben kamen. Einzig der kleine Kreuzer Dresden konnte entkommen, lieferte sich in den patagonischen Fjorden ein monatelanges Versteckspiel mit den Briten und wurde im März 1915 vor der Robinson-Crusoe-Insel von der eigenen Besatzung versenkt.


Mausoleum der Familie Menendez auf dem Friedhof von Punta Arenas.

Um kurz nach drei Uhr verlassen wir den Friedhof wieder und laufen einige hundert Meter zurück in Richtung Stadtzentrum zum Museo Regional Salesiano. Dieses Museum bietet eine umfassende Ausstellung über Flora, Fauna sowie die Geschichte von Patagonien und Feuerland. Wie der Name sagt, wurde das Museum von den Salesianern angelegt, die ja bei der Christianisierung der hiesigen Ureinwohner nicht unbedingt immer eine glorreiche Rolle gespielt haben. Das Museum aber ist sehr interessant, vor allem weil hier sehr alte Bereiche in ihrer ursprünglichen Anordnung und ziemlich aktuelle und pädagogisch gut gestaltete Bereiche direkt aufeinander folgen. Gleich im Erdgeschoss befindet sich der älteste Teil des Museums, ein wildes Gemisch aus ausgestopften Tieren, Knochen, Informationen über Magellan und einer nachgebauten Höhle mit prähistorischen Handabdrücken. In den weiteren Stockwerken - insgesamt gibt es vier davon - erfahren wir (wie auch schon in den beiden Museen, die wir in Ushuaia besucht haben) viel über das Schicksal der Ureinwohner. Das allgemeine Schicksal der Eingeborenen und ihre fast vollständige Ausrottung wird dabei durchaus differenziert dargestellt - der Versuch, den Indianern den christlichen Glauben und die Lebensweise der Weißen aufzuzwingen wird dagegen eher neutral und unkritisch bewertet. Dennoch ein sehr lehrreiches und interessantes Museum, welches wir erst kurz vor der Schließung um 17:30 Uhr wieder verlassen.


Das Haus von Charley Milward - interessant für jeden Leser von Bruce Chatwin.

Wir laufen heim zu unserem Hotel und beginnen, unser Auto aufzuräumen und Koffer zu packen. Zum Abendessen geht es wieder in die Stadt, wo wir uns ein sehr gemütliches und uriges Lokal aussuchen. Mit einem leckeren Steak bzw. einem mit Centolla gefüllten Pfannkuchen, kombiniert mit einem guten Weißwein, läuten wir das Ende dieses sehr schönen Aufenthalts in Patagonien und Feuerland ein, denn morgen geht es leider schon wieder zurück nach Europa.

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