Dienstag, 8.11.2011: El Chalten
Heute ist unser erster von drei geplanten Wandertagen in El Chalten bzw. im nördlichen Teil des Parque Nacional los Glaciares. Aufgrund des grundsätzlich positiven Wetterberichts für heute schauen wir eine Stunde vor Sonnenaufgang aus unserem Hotelfenster: Der Fitz Roy ist komplett wolkenfrei - super. Wir machen uns frisch, springen in unseren Pick Up und fahren ein paar Kilometer die Ruta 23 zurück in Richtung Osten. Hier wollen wir den Sonnenaufgang erleben und freuen uns schon auf ein schönes Farbenspiel an den grandiosen Felswänden der im Westen stehenden Berge. Unsere Freude wird allerdings durch zwei Fakten geringfügig getrübt: Zum einen ist der Himmel im Osten teilweise von einer ganz dünnen Schicht Schleierwolken bedeckt. Und das genau an der Stelle, an der die Sonne über dem Horizont auftauchen wird. Somit wird der kräftige Rotton, den die flach durch die Atmosphäre verlaufenden Sonnenstrahlen auf die Berge zaubern sollen durch die Lichtstreuung leider zu einem diffusen Rotschimmer. Zum anderen weht hier wieder der für Patagonien typische äußerst unangenehme ziemlich heftige und kalte Wind. Zusammengenommen sind wir dennoch sehr froh, dieses Schauspiel erlebt zu haben. Als die Sonne deutlich über dem Horizont steht fahren wir wieder zurück nach El Chalten, gerade rechtzeitig zum Frühstück in unserem Hotel.
Sonnenaufgang im Parque Nacional los Glaciares.
Die Wanderung, die wir uns für heute rausgesucht haben, soll uns auf relativ ebenen Wegen bis zum Campamento Agostinetti führen, einem Basislager für Besteigungen des Cerro Torre, von dort aus weiter bis zum Aussichtspunkt Mirador Maestri. Insgesamt handelt es sich um eine Strecke von knapp neun Kilometern one way. Wir können unser Auto am Hotel stehen lassen und durch die Ortschaft zum nicht weit entfernten Trailhead laufen. Zunächst laufen wir entlang des Rio Fitz Roy nach Westen und erreichen nach einigen Minuten einen höher gelegenen Bereich von El Chalten mit deutlich ärmlicherer Bebauung.
Morgendlicher Blick auf El Chalten.
Trailhead der Wanderung zur Laguna Torre.
Kurz darauf knickt der Weg nach Westen ab und führt ein kurzes Stückchen bergauf zum Trailhead. Dieser ist mit einem großen und sehr schön gestalteten Holzschild markiert. Der Trail verläuft zunächst durch spärlich bewachsenes Grasland leicht bergauf zu einem schönen Aussichtspunkt auf den hier schon relativ tief unter uns in einer Art Canyon fließenden Rio Fitz Roy. An der uns gegenüber liegende Wand dieses Canyons fließt ein Nebenfluss über einen hübschen Wasserfall in den Rio Fitz Roy.
Der Trail zur Laguna Torre.
Wasserfall am Rio Fitz Roy.
Unser Weg führt uns in der Folge durch dichter werdenden Südbuchenwald und führt stetig bergauf und bergab. Nach etwa einer Stunde stehen wir am Mirador Torre, von wo aus wir den weiteren Verlauf des Trails durch ein sehr weites und flaches Tal gut überblicken können. Am rechten Rand des noch etwa 14 Kilometer entfernten Talabschlusses steht der Cerro Torre in seiner ganzen Pracht, links davon ergießt sich der beeindruckende und gleißend weiße Glaciar Grande ins Tal. Ein wunderschöner Anblick, der sich beim weiteren Marsch in das Tal Stück für Stück steigert. Der Weg führt um einen abgestorbenen Wald herum und wir nähern uns allmählich der Endmoräne des Gletschers.
Blick auf Cerro Torre und Fitz Roy.
Der Cerro Torre kommt näher...
Das Campamento Agostinetti befindet sich direkt an der Moräne und zwar an deren linker Seite. Unser Weg führt daran vorbei und schlängelt sich die Moräne bergauf. Von dort oben sehen wir zum ersten Mal die dahinter liegende Laguna Torre. Dieser See entsteht aus dem Schmelzwasser des Gletschers und ist dementsprechend milchig türkisgrün gefärbt. Es schwimmen auch einige kleinere Eisberge auf der Wasseroberfläche herum. Auf der oberen Kante der Moräne führen zwei Wege nach links und rechts um diese herum.
Eine Chiguancodrossel.
Wir schauen uns zunächst die linke Richtung an, wohl wissend, dass wir hier nicht weit kommen werden. Das ist der Weg, der letztendlich bis auf das Eis des Glaciar Grande führt. Von El Chalten aus werden für Touristen Gletscher-Schnuppertouren hierher veranstaltet. Und erfahrene Bergsteiger können von dort aus die Westwände des Cerro Torre oder die Gipfel der umgebenden Berge in Angriff nehmen. Ab dem Ausfluss des Rio Fitz Roy aus der Laguna Torre ist dieser Weg nur nach Ausstellung eines Nationalparkpermits erlaubt. Und damit hier nicht jeder Hinz und Kunz ohne so ein Permit einfach weiter läuft, wird der Bach hier nicht mit Hilfe einer profanen Brücke überquert. Nein, es wurde eine sehr interessante Seilbrücke gespannt, über die wir uns, selbst wenn wir ein Permit hätten, nicht ohne Klettergurt trauen würden. Wir drehen um, um uns den rechts um die Laguna herumführenden Weg genauer anzuschauen.
Kleinere Eisberge in der Laguna Torre.
Nach ein paar hundert Metern merkt Dirk, dass der Objektivdeckel seiner Spiegelreflexkamera verloren gegangen ist. Nein, nicht schon wieder. Das Ding springt im Urlaub andauernd bei Bergwanderungen ab, wenn die Kamera ganz leicht an Felsen entlang streift oder auch nur nah an den Körper gezogen wird, damit sie gerade eben nicht an Felsen entlang steift. Obwohl die Chance, so ein winziges Plastikteil zwischen all den großen und kleinen Felsbrocken der Moräne wiederzufinden, verschwindend gering ist, macht sich Dirk auf den Rückweg und läuft die Strecke der vergangenen Viertelstunde ab. Katharina läuft unterdessen weiter. Wie schon vorherzusehen war: Der Deckel bleibt verloren. Wird halt mal wieder der Deckel des jeweils nicht an der Kamera montierten Objektivs zweckentfremdet. Und nach dem Urlaub wird nicht nur Ersatz bestellt sondern auch gleich eine kleine Reserve.
Blick auf den Glaciar Grande.
Waren wir zu Beginn fast ganz alleine an der Laguna, so treffen nun allmählich immer mehr Wanderer und auch größere Gruppen ein. Der Weg auf der rechten Seite der Gletschermoräne führt über Blockwerk stetig bergauf und nimmt immer mehr den Charakter eines Trampelpfades an. Nach einiger Wegstrecke, wir befinden uns inzwischen fast auf Höhe des westlichen Ende des Sees, findet der Weg am Mirador Maestri ein natürliches Ende: Der Berghang ist von mehreren Murenabgängen tief zerfurcht, ein Weitergehen ist unmöglich. Dafür lädt ein großer Felsfindling zu einer Rast ein. Das ist wahrlich einer der schönsten Aussichtspunkte, die es gibt. Von hier aus schauen wir direkt auf die Nadel des Cerro Torre und auf die Abbruchkante des Gletschers und. Beeindruckend sind das tolle Weiß des schneebedeckten Gletschers und die schönen Türkistöne an den Stellen, an denen das Eis zutage tritt. Wir genießen längere Zeit diesen phantastischen Ausblick und brechen dann wieder auf.
Cerro Torre vom Mirador Maestri aus gesehen.
Abstieg über die Gletschermoräne.
Für den Rückweg bleibt uns keine andere Route als für dein Hinweg. Um kurz vor halb vier am Nachmittag sind wir wieder am Hotel. Dort machen wir uns kurz frisch und fahren dann zur Gomeria, zum Reifenservice. Während der Stunde, die die Reparatur dauert, schauen wir uns die Downtown von El Chalten an, oder halt den Teil der Ortschaft, der am nächsten an das herankommt, was man so üblicherweise als Downtown bezeichnet. Es gibt zahlreiche Hiking-Ausrüstungsgeschäfte, Cafes und Restaurants. Wir ergänzen unsere Vorräte in einem kleinen Supermarkt und holen dann unseren Reifen wieder ab. Die Reparatur kostet zwar erheblich mehr als vor sechs Tagen in Esquel ist aber in Euro umgerechnet immer noch vergleichsweise günstig, so dass wir uns nicht beklagen wollen. Aufgrund der Nähe der Werkstatt zum Hotel sind wir zu Fuß hier und handeln uns umgehend sehr verwunderte Blicke von anderen Touristen ein, als wir den reparierten Reifen nach Hause tragen und rollen. Ehe es zu einem leckeren Abendessen in eines der zahlreichen benachbarten Restaurants geht verbringen wir den Rest des Nachmittags gemütlich in der Hotellobby.