19.11.2011: Punta Arenas - Tolhuin - Wünderlich

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Samstag, 19.11.2011: Punta Arenas - Tolhuin
Um kurz nach sieben Uhr gibt es Frühstück im netten Speisesaal unserer Hosteria. Die Hosteria hat Jugendherbergs-Charme, das aber im positiven Sinne und keineswegs zu vergleichen mit dem Massenbetrieb Paine Grande Lodge im Parque Nacional Torres del Paine. Die Qualität des Frühstücks ist hier richtig gut. Wir brechen auf und verlassen die Stadt wieder Richtung Norden auf der Ruta 9, auf der wir gestern angekommen sind. Die Fahrt bis zur Abzweigung der Ruta 255 an der Laguna Cabeza del Mar verläuft ereignislos. Wir biegen auf die Ruta 255 ab, die Richtung Osten und dort zur argentinischen Grenze südlich von Rio Gallegos führt. Im weiteren Streckenverlauf ändert sich die Landschaft neben der Straße kaum: Eine sanft gewellte und mit Gras bedeckte Hügellandschaft. Eine interessante Abwechslung bieten die Tiere, die wir links und rechts der Straße zu Gesicht bekommen: Dabei handelt es sich zum einen um mehrere Nandus. Der erste davon befindet sich direkt neben der Straße und versucht panisch, vor den vorbeifahrenden Autos zu flüchten. Das gelingt ihm aber nicht, da sich in wenigen Metern Abstand von der Straße ein für Nandus unpassierbarer Drahtzaun befindet. Kurz darauf sehen wir einen im freien Gelände herumstehenden Nandu, der folglich kein Problem mit Zäunen hat und wesentlich gelassener drauf ist als sein Artgenosse. Zudem sehen wir viele Flamingos, Guanacos sowie Greifvögel, die sich an den auf der Straße klebenden Überresten von überfahrenen kleineren Tieren - zumeist handelt es sich dabei um Hasen oder Stinktiere - gütlich tun.


Ein windzerzauster Nandu.

Gut 70 Kilometer hinter der Abzweigung von der Ruta 9 erreichen wir die direkt an der Magellanstraße gelegene Estancia San Gregorio. Dieser gigantische Schafzuchtbetrieb wurde 1890 vom Schafbaron Jose Menendez aus Punta Arenas errichtet. Bei der Estancia handelte es sich fast um eine kleine Ortschaft, komplett mit Eisenbahnanschluss und Hafen zum Transport der Wolle. Ihren Höhepunkt erreichte die Ansiedlung im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Auf einer Fläche von 13500 Quadratkilometern lebten hier ??ber zwei Millionen Schafe. Heute ist die Enstancia nahezu komplett verlassen, nur am östlichen Rand gibt es ein paar neuere Gebäude, in denen heute noch Menschen leben. Die Straße führt direkt an den alten Gebäuden vorbei. Wir halten an und schauen uns die noch recht gut erhaltenen Ruinen an. Die Gebäude strahlen auch im ziemlich verfallenen Zustand noch eine gewisse Pracht aus. Es gibt Verwaltungsgebäude, eine Schmiede, ein Materiallager, nicht zu vergessen die riesige Halle, in der die Schafe geschoren wurden, und noch vieles mehr.


Alte Schmiede in der Estancia San Gregorio.

Am Strand direkt neben der Estancia liegen zwei Schiffswracks: Der Clipper Ambassador und das Dampfschiff Amadeo. Beide Schiffe gehörten einstmals zur Flotte der Familie Menendez und wurden vor etwa 70 Jahren hier absichtlich auf Grund gesetzt. Die Ambassador ist einer der wenigen weltweit noch erhaltenen echten Clipper in Kompositbauweise: Ein Stahlskelett wurde mit einer Holzhülle beplankt - ein weiteres Exemplar eines solchen Schiffes ist die berühmte Cutty Sark. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob man dieses Wrack an der Estancia San Gregorio als erhaltenes Schiff bezeichnen kann: Wir laufen zum Stand hinunter, immer gefolgt von einem kleinen frechen Hund, der auf der Estancia lebt. Am Strand angekommen finden wir von dem Segelschiff nur noch das arg ramponierte Stahlgerippe. Die Amadeo sieht noch ein klein wenig kompletter aus. Besonders interessant finden wir hier den Blick durch die aufgerissene Außenhaut des Schiffes auf die riesigen Heizkessel.


Dampfschiff Amadeo an der Estancia San Gregorio.


Reste des Clippers Ambassador an der Estancia San Gregorio.

Hinter der Estancia San Gregorio sieht die Gegend im Prinzip genauso aus wie vorher, mit der Ausnahme dass sich hier ab und zu neben der Straße Förderanlagen für Erdöl und/oder Erdgas befinden. Nach kurzer Fahrt kommen wir zur Abzweigung der Ruta 257, die von hier aus in südliche Richtung zum Fährhafen Punta Delgada führt. Dieser Hafen besteht aus wenig mehr als zwei, drei Gebäuden der Schifffahrtgesellschaft und der chilenischen Polizei und liegt an der im weiteren Umkreis schmalsten Stelle der Magellanstraße. Hier trennen nur knapp viereinhalb Kilometer das Festland und Feuerland. Neben uns sind nur zwei argentinische LKW da - somit kommen wir problemlos mit der nächsten Fähre mit. Diese legt nur wenige Minuten nachdem wir angekommen sind an der Anlegerampe an - das war perfektes Timing.


Unsere Fähre nach Feuerland.

Wir rollen unser Auto auf die Fähre, bezahlen an einem kleinen Schalter an Bord den Fahrpreis und das Abenteuer Magellanstraße kann beginnen. Die Fahrtzeit beträgt zwar nur 20 Minuten, ermöglicht uns aber zumindest zwei faszinierende Tierbeobachtungen: Nach einigen Minuten Fahrtzeit entdecken wir einen fröhlich neben der Fähre herschwimmenden schwarz-weiß gefärbten Commerson-Delfin. Das Tier kommt mit der Fähre kaum mit und ist zudem schwer zu erkennen, da es größtenteils tief unter der Oberfläche schwimmt und immer nur Kurz nach oben kommt. Als wir uns anstrengen, den Delfin im Auge zu behalten, fällt uns auf einmal ein kleiner schwarz-weißer Kopf auf, der direkt neben der Fähre aus dem Wasser ragt und dann untertaucht. Das war ein Magellanpinguin, wie wir sie gestern an der Pinguinkolonie in Seño Otway in großer Menge an Land bewundern durften. Toll. Während der ganzen Zeit beobachten wir, wie wir uns langsam der Küste von Feuerland nähern.


Unterwegs auf Feuerland.

Wir verlasen die Fähre bei Puerto Espora und finden eine Landschaft vor, die sich in nichts von derjenigen auf der anderen Seite der Magellanstraße unterscheidet: Hügeliges Grasland, alles recht karg. Auch die Tierwelt ist dieselbe - neben zahlreichen Schafen, Kühen und Pferden sehen wir wieder viele Guanacos und Flamingos. Bis kurz vor Cerro Sombrero ist die Straße asphaltiert, dann hat uns der Ripio wieder. Es ist wirklich faszinierend: Eine Gravelroad, die in den USA mit keinem normalen Mietwagen versicherungstechnisch überhaupt befahren werden dürfte, ist hier die Hauptverkehrsachse zum argentinischen Teil von Feuerland. Die Menge der uns entgegenkommenden Trucks ist beeindruckend, normale PKW sind schon seltener. Ganz vereinzelt treffen wir Motorradfahrer, vor denen wir einiges an Respekt haben. Ganz tief verneigen wir uns allerdings vor dem einsamen Radfahrer, der hier mitten im Nichts unterwegs ist.


Ölförderung auf Feuerland.

Nach mehr als 120 Kilometer Rumpelei kommen wir durch das kleine Kaff San Sebastian und kurz danach zur chilenischen Grenzstation. Auch wenn der Zollbeamte zunächst ein Dokument von uns sehen will, das wir bisher noch nie gebraucht haben und das wir zudem gar nicht besitzen, verläuft die Ausreise schnell und problemlos. Die Straße zur argentinischen Grenzstation - gelegen in der Ortschaft San Sebastian zieht sich ein wenig. Sobald wir Argentinien erreicht haben, sind wir wieder auf Asphalt unterwegs. Kurz hinter der Grenze steht am Straßenrand ein großes Schild, welches darauf hinweist, dass die Falkland-Inseln zu Argentinien gehören. 30 Jahre nach dem Falklandkrieg halten wir das für eine interessante Feststellung.


Eine Schaffamilie.

Wir wissen, dass der südliche Teil von Feuerland deutlich weniger karg ist als der Norden. Etwas nördlich von den beiden San Sebastians wurde die Vegetation ein wenig dichter und eine in Ost-West-Richtung verlaufende Hügelkette kam in Sicht. Unsere Vermutung, dass diese die erwartete Vegetationsgrenze darstellt hat jedoch getrogen, denn südlich davon geht es weiter durch relativ karges Grasland. Wir kommen an einigen recht wohlhabend aussehenden Estancias vorbei und erreichen einige Kilometer vor der Stadt Rio Grande erstmals die Küste des atlantischen Ozeans. Kurz vor Rio Grande sehen wir auf der rechten Seite der Straße ein altes Salesianerkloster. Die Salesianer kamen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Südamerika, um die dortigen Ureinwohner zu christianisieren, aber auch um deren Kultur zu schützen. Sonderlich erfolgreich waren sie dabei auf Feuerland allerdings nicht. Zum einen starben sehr viele der Indianer an von den Mönchen eingeschleppten Krankheiten. Und zum anderen wurde den Ureinwohnern von den Missionaren der Lebensstil der Weißen aufgedrängt und dadurch die Vernichtung ihrer Kultur eher beschleunigt. Davon zeugen zum Beispiel Fotos, die traurige Indianer zeigen, welche in westliche Kleidung gesteckt wurden.


Das Salesianerkloster bei Rio Grande.

Der Hunger und die darauffolgende Suche nach einem Supermarkt treibt uns nach Rio Grande. Diese Stadt wurde als Handelszentrum und Hafen für die umgebenden Estancias gegründet und erlebte einen Boom als von der argentinischen Regierung auf Feuerland eine Sonderhandelszone eingerichtet wurde und als zudem Öl entdeckt wurde. Die Stadt hat heute 66000 Einwohner und den stressigsten Stadtverkehr, den wir im Verlauf unserer Reise erlebt haben. Der Supermarkt, in dem wir landen hat dann auch gigantische Ausma??e und entspricht damit so gar nicht dem, was wir uns an Geschäften in Feuerland vorgestellt hätten. Frisch mit Sandwiches versehen verlassen wir die Stadt wieder und kommen etwas im Süden von Rio Grande endlich zu dem schon viel früher erwarteten Wechsel der Vegetation. Zuerst stehen ein paar vereinzelte Büsche neben der Straße, dann einzelne Bäume und schließlich ein ganzer Wald. Gleichzeitig ändert sich der Ausblick auf den Horizont schlagartig: Statt ewiger Weite sehen wir nun in der Ferne eine hohe Bergkette, die südlichsten Ausläufer der Anden. Hier hat übrigens jedes zweite einheimische Auto welches wir sehen einen Anhänger oder eine Ladefläche, auf der ein Quad festgezurrt ist. Wir wissen nicht, ob das daran liegt, dass Wochenende ist oder an der Uhrzeit oder möglicherweise daran, dass man auf Feuerland keine anderen spannenden Dinge außer Quadfahren untenehmen kann.


Biberdamm auf Feuerland.

Wir kommen durch die Ortschaft Tolhuin, malerisch am langgezogenen großen Lago Fagnano gelegen und erreichen kurz danach unsere Unterkunft für die kommende Nacht, die Hosteria Kaiken. Hier bekommen wir ein schönes Zimmer mit einem tollen Blick auf dem See. Neben uns ist eine Reisegruppe aus Deutschland da, die ihr Abendessen als geschlossene Gruppe serviert bekommen. Daher müssen wir ein klein wenig länger warten und nutzen die Zeit für einen Spaziergang über das Gelände der Hosteria und zum Ufer des Sees.


Lago Fagnano.


Steilküste am Ufer des Lago Fagnano.

Die Hosteria liegt etwas oberhalb des Sees auf einer Art Steilklippe. Nachdem wir uns den See von oben angeschaut haben, laufen wir um die Klippe herum direkt ans Wasser. Hier soll es einen Wasserfall geben, das behauptet jedenfalls ein Wegweiser. Wir laufen ein gutes Stück entlang der steilen Klippe. Diese erinnert uns ganz entfernt an die Insel Rügen. Als wir fast schon umkehren wollen, finden wir in einem in die Klippe eingeschnittenen kleinen Tal den Wasserfall. Das letzte Stück zu diesem führt in lustiger Kraxelei über Felsen und Baumstämme und dann stehen wir vor einem kleinen aber dennoch hübschen Rinnsal. Zurück an der Hosteria gibt es ein leckeres Abendessen, einen schönen Blick auf den See mit toller Abendstimmung inklusive.
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