07.11.2011: Cueva de las Manos - El Chalten - Wünderlich

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Montag, 7.11.2011: Cueva de las Manos - El Chalten
Heute gibt es schon um sieben Uhr Frühstück, denn wir haben eine lange Etappe vor uns: Mehr als 500 Kilometer, davon weite Strecken über Schotter. Es handelt sich um die Königsetappe der Ruta 40, auf der über hunderte Kilometer keine Ortschaft, geschweige denn eine Tankstelle an der Straße liegt. Wir bezahlen das gestrige Abendessen, checken aus und brechen auf. Die vier Kilometer Feldweg zur Hauptstraße sind schnell zurückgelegt und um 7:30 sind wir wieder Richtung Süden auf der hier noch asphaltierten Ruta 40 unterwegs. Das Wetter hat sich leider im Vergleich zu gestern nicht wirklich gebessert: Es regnet mehr oder weniger stark. Zeitweise geht der Regen sogar in Schneeregen über. Nach einiger Zeit sind die Kappen der höheren Hügel vom Schnee leicht angezuckert.


Unterwegs auf der Ruta 40 Richtung Süden.


Schneebedeckte Hügel in der patagonischen Steppe.

Wir fahren durch eine karge und öde Steppenlandschaft. Ein paar Kilometer vor Baja Caracoles endet der Asphalt und wir werden von der Straße abgeleitet. Hier wird die Ruta 40 gerade frisch asphaltiert. Mit der Folge, dass wir auf einer sehr rumpeligen Umfahrung unterwegs sind, während sich einige hundert Meter entfernt ein nagelneues Asphaltband befindet. Die Umfahrung führt uns zu einer Senke, in der sich ein kleiner See gebildet hat. Hier sehen wir sehr viele Tiere: Enten, Gänse und Flamingos. Bald erreichen wir Baja Caracoles, etwa 80 Kilometer südlich der Estancia Cueva de las Manos gelegen. Wir wissen nicht, ob es am Wetter liegt oder ob wir zu früh hier sind - die winzige und trostlose Ortschaft ist komplett ausgestorben. Sogar die Tankstelle scheint verwaist zu sein. Aber wir haben ja gestern in Perito Moreno den Tank so weit es ging aufgefüllt und eine schnelle Überschlagrechnung lässt uns zu dem Resultat kommen, dass wir dank dem sehr mäßigen Durst unseres Pick Ups die nächste Tankstelle erreichen müssten, sogar mit viel Sicherheitsspielraum. Und für den Notfall haben wir ja auch immer noch unseren Reservekanister. Also weiter.

Hinter Bajo Caracoles sind wir zunächst 20 Kilometer auf Asphalt unterwegs - auch hier nagelneu aufgebracht. Als wir dieses Stück hinter uns gebracht haben und uns endlich auf ein längeres Stück der Straße im Originalzustand freuen, ereilt uns eine gigantische Ernüchterung: Wir kommen zu einer der längsten Straßenbaustellen, die wir je gesehen haben. Über mehr als 80 Kilometer wird hier gebuddelt, planiert und asphaltiert. Die Umleitung befindet sich direkt neben der eigentlichen Straße und ist hier recht gut zu befahren. Dennoch kommt natürlich kein so richtiges Ruta 40-Feeling bzw. Patagonien-Feeling auf, wenn man alle ein, zwei Minuten an gigantischen Straßenbaumaschinen vorbei kommt. Immerhin gibt sich die lokale Tierwelt ein Stelldichein: Wir sehen zahlreiche Guanacos, welche allerdings ein wenig schüchtern sind und sich daher im respektvollen Abstand halten. An einer Stelle der Straße huscht ein kleines graues Tier mit buschigem Schwanz über die Straße. Wir stoppen und finden einen patagonischen Fuchs. Neben der Umfahrungsstraße befinden sich von Baumaschinen aufgeworfene Erdkämme. Und genau dort sucht der Fuchs sehr intensiv nach irgendwelchen kleinen Pflanzen oder Insekten, die ihm sehr gut zu schmecken scheinen: Wir nähern uns dem Tier vorsichtig bis auf ein paar Meter. Bei jedem unserer Schritts erschrickt es zunächst erst einmal, überlegt kurz, und sucht weiter nach Knabbereien. Erst nachdem wir uns wieder zurückgezogen haben und der Fuchs seinen Hunger gestillt hat, macht er sich auch wieder auf den Weg. Ein paar Minuten später sehen wir noch einen Fuchs. Dieses Exemplar rennt in recht hoher Geschwindigkeit vor uns über die Straße.


Ein patagonischer Fuchs.


Endlose Straßenbaustelle an der Ruta 40.

Das Wetter hat sich im bisherigen Tagesverlauf deutlich verbessert. Inzwischen zeigen sich große blaue Flecken im Wolkenteppich und der Blick nach Süden schaut sogar noch verheißungsvoller aus. Auch die Andenkette, schon während der ganzen Fahrt mehr oder weniger gut in großer Entfernung auf der rechten Seite zu erahnen, ist nun viel besser zu erkennen. Auf die lange Baustelle folgt ein etwa 56 Kilometer langes, in West-Ost-Richtung verlaufendes Stück Straße, welches schon seit einigen Jahren asphaltiert ist. Dieses endet an der Abzweigung der Ruta 25, die im weiteren Verlauf nach Gobernador Gregores und weiter nach Puerto San Julian führt. Die Ruta 40 knickt wieder nach Süden ab und was nun folgt ist der mit Abstand schönste Abschnitt der heutigen Etappe: Auf knapp 100 Kilometern bis am Lago Cardiel vorbei befindet sich die Ruta 40 in ihrem Originalzustand, eine mal mehr und mal etwas weniger gute Gravelroad durch die patagonische Steppe. Wir sind völlig alleine und kommen vielleicht einmal alle zwanzig Minuten an Gegenverkehr vorbei. Die Straße führt erstaunlich abwechslungsreich über Hügel und Kuppen. Dabei ergeben sich immer wieder schöne neue Blicke auf die ja eigentlich recht eintönige Wüstenlandschaft. Wir sehen jede Menge Pferde, Kühe, Schafe aber auch große Guanacoherden. Höhepunkt ist der Blick auf den 370 Quadratkilometer großen Lago Cardiel, an dem die Straße direkt vorbei führt. Schon aus einiger Entfernung bietet sich von einer Anhöhe aus ein toller Blick auf den See, der wie ein türkisblauer Edelstein in der hellgelben Steppe liegt.


Unterwegs auf der Ruta 40 irgendwo vor dem Lago Cardiel.


Der Lago Cardiel.

Leider bestehen die hinter dem Lago Cardiel folgenden knapp 80 Kilometer nach Tres Lagos wieder aus einer einzigen großen Baustelle. Hier verlaufen die Umfahrungen wechselseitig rechts und links neben der Straße und sind sehr rumpelig. Die Ausschilderung mit Hilfe von Erdhaufen und ein paar Hütchen ist auch nicht immer gerade intuitiv: An einer Stelle wird uns erst bewusst, dass wir die neue Straße nicht benutzen sondern sie stattdessen überqueren sollen, als nach ein paar hundert Metern auf Asphalt ein Bauarbeiter wild gestikulierend auf uns zu kommt. An einer Stelle kommen wir besonders nahe an einer Guanacoherde vorbei, im Hintergrund die majestätischen Anden, durch Luftspiegelungen leicht verzerrt. Ein tolles Fotomotiv. Wir halten an, Dirk steigt aus und beschäftigt sich eingehend mit den Guanacos. Als er wieder einsteigen will, hört er ein pfeifendes Geräusch am linken Hinterreifen. Dieser verliert Luft, und zwar ziemlich schnell. Unser Auto ist mit einem sehr guten Wagenheber versehen, so dass wir innerhalb von ein paar Minuten einen unserer beiden Reservereifen montiert haben. Die eingehende Begutachtung des kaputten Reifens bringt die Ursache der Panne ans Licht: Es hat sich ein kleines Steinchen in eine schon etwas porös wirkende Stelle des Reifenprofils gedrückt. Während der Kontrolle der Reifen bei Wagenübernahme ist uns der stellenweise schon recht ramponierte Zustand des Reifens dummerweise nicht aufgefallen.


Lengua de Fuego-Busch am Lago Cardiel.


Guanacos vor Andenkette.

Ein paar Minuten nach der Reifenpanne nähert sich von hinten relativ schnell ein goldfarbiger Minibus. Wir sind höflich und ziehen etwas zur Seite, um den eiligen Fahrer vorbeizulassen. Als wir im Verlauf des Überholmanövers zu dem Minibus schauen, sehen wir, dass uns intensiv zugewunken wird. Das ist doch tatsächlich die deutschsprachige Mini-Reisegruppe, die wir am Grenzübergang nach Futaleufu getroffen haben, in der Pangue Lodge und noch ein paar Mal während der Fahrt nach Coyhaique. Wir freuen uns und winken zurück. Als wir bei Tres Lagos wieder auf Asphalt rollen, sind wir froh. Das Fahren entlang dieser kilometerlangen Baustellen hat nicht übermäßig Spaß gemacht. Wie auch bei der Carretera Austral vor drei Tagen gilt auch hier, dass mit der Verbesserung der Straßenqualität irgendwie auch etwas verloren geht. Gerade die von uns gefahrene Kombination von Carretera Austral und Ruta 40 galt noch vor kurzem als Strecke ins Abenteuer. Das ist sie nun definitiv nicht mehr bzw. wird es in Kürze nicht mehr sein. Wobei man natürlich nicht vergessen darf, dass für den innerargentinischen Verkehr, insbesondere für den Güterverkehr, der Ausbau sicherlich ein Segen ist.


Blick auf den Lago Viedma.

35 Kilometer südlich von Tres Lagos verlassen wir am Nordufer des großen Lago Viedma die Ruta 40 und biegen nach Westen auf die Ruta 23 Richtung El Chalten. El Chalten wurde erst vor etwa 26 Jahren als Stützpunkt für den Parque Nacional los Glaciares gegründet. Eine weitere Motivation, ausgerechnet hier eine Ortschaft hinzusetzen waren Grenzstreitigkeiten mit Chile. Im Bereich des südpatagonischen Eisfeldes ist die Grenzziehung zwischen Argentinien und Chile in der Tat bis heute nicht abschließend geklärt. Auf Karten ist hier der Verlauf der Grenze von einer kleinen Box neben einem erläuternden Text unterbrochen. Eine argentinische Ansiedlung möglicht weit im Westen ist da natürlich äußerst praktisch, um seine Ansprüche zu untermauern, Inzwischen hat sich El Chalten zu einem adretten kleinen Touristenörtchen entwickelt. An der Abzweigung auf die Ruta 23 sind wir noch etwa 100 Kilometer von den hohen Berggipfeln im Parque Nacional los Glaciares entfernt, aber die Berge scheinen zum Greifen nah zu sein. Ganz klar erkennen wir die schlanke Felszinne des 3128 Meter hohen Cerro Torre, eines der schönsten und zugleich am schwierigsten zu besteigenden Berge der Welt. Etwas rechts daneben steht der in der Silhouette etwas an einen Zuckerhut erinnernde 3406 Meter hohe Fitz Roy. Hier verdecken angeblich extrem oft Wolken die Sicht auf die Gipfel der Berge. Wir haben Glück und absolut freie Sicht. Nun sind wir auch endlich an der Stelle angelangt, an der das wohl berühmteste Werbeposter der Bekleidungsfirma Patagonia entstand: Dieses Poster zeigt einen klapprigen und überladenen Kleinwagen, der auf genau die Berge zusteuert, die wir jetzt vor uns sehen. Südlich vom Fitz Roy-Massiv sehen wir über den Lago Viedma hinweg auf die gigantischen Ausläufer des südpatagonischen Eisfeldes. Einer dieser Gletscher, der Glaciar Viedma, fließt leicht gewunden mitten in den See, an dessen Nordufer wir nun mehr oder weniger direkt entlang fahren.


Bergwelt des Parque Nacional los Glaciares mit Cerro Torre und Fitz Roy.


Erster Blick auf El Chalten. Im Hintergrund der Fitz Roy.

Am Ortseingang von El Chalten halten wir an um das Informationscenter des Nationalparks zu besuchen. Dieses hat leider schon geschlossen. Aus dem Augenwinkel sehen wir einen goldenen Minibus in Richtung Osten vorbei rollen. Ob das wohl noch mal unsere Bekannten waren? Das werden wir wohl nie herausfinden, denn diese Begegnung war wohl definitiv die letzte: Wir haben für die kommenden Tage sehr viel Zeit zum Wandern eingeplant. Im Gegensatz dazu will die Reisegruppe schon in ein paar Tagen in Punta Arenas sein. Da wir recht früh da sind, nehmen wir noch eine kleine Wanderung in Angriff. Direkt hinter dem Informationszentrum stehen der 460 Meter hohe Mirador de Condor und der nur zwanzig Meter höhere Mirador de Aguilar. Ersterer Aussichtspunkt bietet einen schönen Blick auf die Ortschaft und den Fitz Roy, letzterer auf den Lago Viedma. Die Sonne steht jetzt am späten Nachmittag hinter den Bergen und sorgt so natürlich für eine suboptimale Beleuchtung. Trotzdem freuen wir uns sehr darüber, überhaupt so gutes Wetter zu haben. Daher lassen wir uns auch nicht vom für Patagonien typischen ziemlich starken Wind stören. Nach etwa einer Stunde sind wir von der kurzen Wanderung zurück am Auto. Unser vorgebuchtes Hotel ist schnell gefunden. Bevor wir uns ein Restaurant für das Abendessen suchen, schauen wir noch schnell nach der Werkstatt, wo wir morgen unseren kaputten Reifen reparieren lassen wollen. Diese befindet sich nur wenige Meter vom Hotel entfernt. Bevor wir ins Bett gehen, studieren wir den im Hotel ausgehängten Wetterbericht für morgen: Dieser sieht eigentlich ganz gut aus.


Blick vom Mirador de Condor auf El Chalten.
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