29.04.2019: Invergarry - Invermoriston - Wünderlich

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29.04.2019 Invergarry - Invermorriston
Frühstück im Speisesaal eines Schlosses: das hat schon etwas - wir freuen uns dennoch nach diesem Ausflug in die etwas edlere Kategorie auf die kommenden etwas einfacheren Unterkünfte. Immerhin - ähnliches haben wir je auch schon beim Radfahren in den vergangenen Jahren festgestellt - ist es gerade in ganz guten Hotels völlig egal, wie man anreist: der nette Herr an der Rezeption gibt sehr kompetent Ratschlag zu einer möglichen Abkürzung, die wir auf unserer Karte entdeckt haben und die es uns ersparen würde, wieder zurück in die Ortschaft laufen zu müssen, um auf den Great Glen Way zu kommen. Zu dessen angedrohter Sperrung wegen Forstarbeiten ein wenig nördlich von Invergarry kann der Rezeptionist leider nichts sagen: er hat die Schilder aus dem Auto gesehen, aber gedacht, dass die Arbeiten schon lange vorbei sind. Entsprechend seine Reaktion, als wir berichten, dass der Great Glen Way auf dieser Seite des Sees für fast die gesamte Saison gesperrt ist.

Hinter dem örtlichen Kriegerdenkmal finden wir den alten und sehr verwachsenen Trampelpfad, der uns schnell und unkompliziert zum Great Glen Way bringt und müssen nun schauen, wie weit wir kommen. Auf der Karte der Sperrung war diese unmittelbar nach einem Querweg auf die A82, die große Bundesstraße eigezeichnet. Das heißt, dass wir in jedem Fall irgendwie ausweichen können. Wir witzeln noch, dass wir nun so oder so einfach direkt in den gesperrten Bereich reinlaufen können, da wir ja aufgrund unserer Abkürzung die ziemlich sicher in Invergarry aufgestellten Warnschilder gar nicht gesehen haben. Da kommen wir aber schon an die erwartete Abzweigung und müssen trotz der doofen Situation laut loslachen: Der Great Glen Way würde nach links abknicken und die hier aufgereihte Ansammlung von zig Verbots- und Warnschildern kann man beim besten Willen nicht übersehen. Jeder Sicherheitsbeauftragte eines deutschen Betriebs würde von dieser Szene feuchte Träume bekommen.

Uns bleibt keine Wahl, wir müssen auf die A82. Diese hat zum Glück fast durchgehend einen recht gut zu begehenden Grünstreifen neben der Fahrbahn. Zudem hält sich der Verkehr auf unserer Seite der Fahrbahn sehr in Grenzen, so dass wir ohne große Probleme die etwa zwei Kilometer bis zur Bridge of Oich zurücklegen können, wo wir frohen Herzens auf den vorhandenen Gehweg springen. Im Wald haben wir durch die Bäume übrigens ein einziges Arbeitsfahrzeug gesehen an dem ein einziger Mensch ein wenig herumgedengelt hat. Super.

Naja, wir sind jedenfalls gut bei der Bridge of Oich angelangt. Eigentlich handelt es sich dabei um zwei Brücken: eine 44 Meter lange und denkmalgeschützte Kettenbrücke aus dem Jahre 1854. Diese wurde nach dem damals revolutionären Kegelzapfen-Prinzip erbaut. Gerade Katharina als studierte Bauingenieurin schaut sich das Bauwerk sehr interessiert an. Deutlich profaner als die alte Brücke ist die direkt daneben befindliche aktuelle Straßenbrücke, die immerhin auch schon aus dem Jahre 1932 stammt.

Von hier an können wir wieder direkt entlang des kaledonischen Kanals laufen, entlang dessen wir in ungefähr acht Kilometern sehr flach nach Fort Augustus kommen. Das Ganze ist recht ereignisarm, mal abgesehen von Begegnungen mit entgegen kommenden Fahrradfahrern, Booten, Vögeln und Schmetterlingen. Gerade was das Beobachten von Vögeln angeht, sind wir scheinbar zur absolut richtigen Jahreszeit hier und wir freuen uns über jedes Rotkehlchen welches unsren Weg kreuzt.

Fort Augustus hat gerade mal 621 Einwohner ist aber eines der touristischen Zentren am Loch Ness und zwar direkt an dessen Südende: der kaledonische Kanal verliert hier über fünf Staustufen gut an Höhe und fließt dann in das Südende des 37 Kilometer langen Sees, welcher die größte Wassermenge aller schottischer Seen beinhaltet. Die Ortschaft selber ist recht nett, aber komplett überfüllt mit Touristen. Wir bewundern kurz die Schleusenanlage und die dazugehörige Drehbrücke und holen uns dann im Supermarkt nebenan einen kleinen Mittagssnack. Hierbei erleben wir den absoluten Höhepunkt des schlechten Geschmacks: ähnlich zu den in München Ende September gehäuft auftretenden Analog-Lederhosen (Stoffhosen, die so bedruckt sind, dass sie so aussehen wie eine echte Lederhose) verkauft hier irgendjemand auch Analog-Kilts (Schottenröcke). Wie wir feststellen müssen, gibt es auch Leute, die das Zeug kaufen und tragen...

Hinter Fort Augustus führt der Great Glen Way steil bergauf in die Hügel am Westufer des Loch Ness. An einem Aussichtspunkt müssten wir Cherry Island sehen, eine kreisförmige künstliche Insel aus der Bronzezeit, ein so genanntes Crannóg. Leider sind hier anscheinend in letzter Zeit die Bäume und Büsche stark gewachsen. Wir können jedenfalls beim besten Willen keine Insel entdecken.

Etwas später stehen wir vor einer Wahl: die Originalroute des Great Glen Way führt in relativ geringer Höhe durch den Wald nach Norden. Alternativ gibt es die so genannte High Route, welche auf bis zu 300 Meter Höhe führt und dabei schöne Blicke auf den See ermöglichen soll. Da überlegen wir nicht lange und schrauben uns wenig später in einem lichten Wald über viele Serpentinen bergauf. Kurz darauf erreichen wir die Baumgrenze und finden dahinter die karge schottische Klischeelandschaft vor. In sanften Bergauf und Bergab folgen wir dem Höhenrücken und die Blicke auf den langgezogenen See tief unter uns sind in der Tat super. Beeindruckend der Blick auf den Nadelwald unter uns. Dieser setzt gerade riesige Mengen Pollen frei, was aus der Entfernung an den Rauch eines Waldbrandes erinnert - nur ist dieser vermeintliche Rauch gelb. Diese High Route ist absolut zu empfehlen, auch wenn es sich hier - im Gegensatz zu den Bergabschnitten des West Highland Ways - nicht um irgendeine historische Militärstraße oder etwas ähnliches handelt, sondern um einen recht aktuell angelegten Weg. Einzig negativ ist der Abstieg am Ende des Weges, kurz vor unserem heutigen Etappenziel Invermorriston. Dieser fällt nicht sehr kniefreundlich aus, denn die Konstrukteure hatten für diese Seite scheinbar keine Serpentinen mehr übrig.

Invermorriston ist eine nette kleine Ortschaft. Es gibt eine historische Brücke von 1813 mit einem Wasserfall dahinter, einen winzigen Dorfladen, einen Pub mit Hotel (hier essen wir zu Abend) und unser B&B mit einer sehr schönen heißen Dusche. Durch Invermorriston scheint 2012 auch die olympische Fackel vorbeigekommen zu sein, jedenfalls impliziert das ein kleines Denkmal im Zentrum der Ortschaft. Auf dem Weg zu unserem B&B überquert direkt vor uns ein Fasan die Straße. Ob der Vogel aus dem eben angehaltenen Fernbus ausgestiegen ist, können wir leider nicht klären.


Die Kettenbrücke von Bridge of Oich


Schleuse in Fort Augustus


Rückblick auf Fort Augustus und den Beginn von Loch Ness


Die alte Brücke von Invermoriston
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