18.04.2019: Glasgow - Drymen - Wünderlich

Wie aufmerksame Leser schon festgestellt haben, ist heute der erste Tag, an dem wir wirklich wandern. Zur Stärkung wollen wir uns noch einmal das Full Breakfast in unserem Hotel gönnen. Dieses ist dann aber eine ziemliche Enttäuschung: viele Platten sind trotz der relativ frühen Uhrzeit schon leer gegessen, die Hashbrowns sind fast roh und das Rührei schmeckt nach gar nichts. Das hätten wir in einem der benachbarten Cafés billiger und besser haben können. Wir drehen noch eine letzte Runde um den Saint George Square. Insgesamt müssen wir sagen, dass uns Glasgow deutlich besser gefallen hat, als erwartet. Klar, die Stadt zeugt immer noch von ihrer Vergangenheit als Industriestadt, aber gerade in den letzten Jahren hat sie sich sehr herausgeputzt mit frisch renovierten Art-Deco- und Historismus-Häusern und modernen Neubauten. In der Innenstadt könnte man manchmal fast glauben, man wäre in New York.

Wir nehmen den Vorortzug nach Milngavie, wo der West Highland Way offiziell beginnt. Dort besuchen wir noch den letzten großen Supermarkt für längere Zeit um letzte Vorräte aufzufüllen. In der schmucken Fußgängerzone markiert dann eine Granitstele den Beginn des Weges. Hier ist viel los. Neben einigen kleineren Gruppen posiert auch eine große Gruppe Jugendlicher für ein Foto. Später kommen wir mit einer der Betreuerinnen ins Gespräch und erfahren, dass es sich um 60 Studierende der Glasgow University handelt, die "a wee walk" unternehmen, immerhin bis nach Balmaha, also über 32 Kilometer.

Die ersten paar Kilometer des West Highland Way führen noch durch eine Art Park. Hier sind jede Menge Leute mit Hunden unterwegs. Langsam wird die Gegend dann wilder. Der Trail führt nun durch einen sumpfigen Wald. Hinter zwei kleinen Seen, dem Craigallian Loch und dem Carbeth Loch, kommen wir dann an die ersten Schafweiden, schön ordentlich mit Zäunen voneinander abgetrennt, durch die der Weg mit Hilfe von Gattern führt. Mit dem Mechanismus des ersten dieser Gatter haben wir noch leichte Schwierigkeiten doch hat man den Dreh mal raus, funktioniert es auch bei den unzähligen weiteren genau so. Auf einem Hügel rechts von uns befinden sich die Dumgoyach Standing Stones, ein bronzezeitliches Monument. Da wir sie aber nur von fern sehen können, sind sie nicht sonderlich spektakulär. Weit stärker beeindruckt sind wir von dem Fasan, den wir kurz darauf entdecken. Auch dieser wird nicht der einzige für heute bleiben. An Schafsweiden vorbei nähern wir uns nun den Hügeln der Highlands.

Genau auf der Grenze zwischen Lowlands und Highlands liegt die Glengoyne Distillery. Wir kommen gerade rechtzeitig zu einer Führung. Nach einem kurzen Filmchen erklärt uns die gut gelaunte Führerin, wie aus Wasser, Malz und Hefe Whisky entsteht. Da wir nicht vorhaben, eine Glasflasche Whisky mit uns weiter zu schleppen, verlassen wir den Shop der Distille recht schnell, jedoch nicht ohne vorher noch über den hier verkauften Gürtel mit Flachmann in der Schnalle zu schmunzeln. Ein kurzes Stück weiter stellt das Gasthaus Beech Tree Inn den Wanderern eine kleine Picknickfläche neben einem Gehege mit Shetlandponys zur Verfügung. Hier machen wir eine kleine Pause und füllen Flüssigkeit und Zucker nach.

Die nächsten Kilometer sind dann die uninteressantesten des Tages. Der Trail folgt hier einer alten Bahntrasse. Links sind Schafweiden, rechts eine nur durch einen schmalen Waldsaum von uns getrennte Straße. Endlich unterqueren wir die Straße und wenig später überqueren noch eine kleinere Straße.

Nun wird es wieder spannender. Wir überqueren zunächst den Fluss Endrick Water, kommen dann durch einen kleinen Weiler und erklimmen nun noch einen Hügel. Hier betreten wir nun den Loch Lomond and The Trossachs National Park. Allerdings weist nichts darauf hin. Zu beiden Seiten des Weges blühen gelbe Narzissen, die Hügel ringsum stehen voll blühendem Ginster.

Von oben können wir dann schon die Häuser von Drymen sehen. Es folgt aber noch einmal ein längerer Abstieg bis wir unser Tagesziel erreichen. Zuerst kaufen wir im örtlichen Supermarkt eine Tube Sofortkleber, um damit später Dirks Schuhe zu behandeln, von denen sich punktuell ganz leicht die Sohle abzulösen beginnt. Im vorgebuchten Bed-and-Breakfast werden wir sehr freundlich mit Scones und Tee empfangen. Zum Abendessen besuchen wir den ältesten Pub Schottlands in der Dorfmitte. Wir haben Glück, denn wir sind die letzten, die dort noch ohne Reservierung einen Platz bekommen. Wir hätten nicht gedacht, dass hier zu dieser Jahreszeit so viel los ist...