28.04.2019: Gairlochy - Invergarry - Wünderlich

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28.04.2019 Gairlochy  - Invergarry
Das Frühstück, zu dem es Eier der hoteleigenen Hühner gibt, findet mit Blick durch die Panoramafenster des Speisesaals auf die immer noch wolkenverhangenen Berge und den Hotelgarten, der von Vögeln wimmelt, statt. Danach geht es erst mal die gleiche Straße zurück ins Tal, die wir gestern Nachmittag gekommen sind.

Unten an der Schleuse von Gairlochy angekommen, winkt uns der Schleusenwärter schnell rüber: wir dürfen als letzte die Drehbrücke queren, bevor sie für ein Boot geöffnet wird. Weiter laufen wir am Ufer des Loch Lochy. Die Landschaft unterscheidet nicht wesentlich von der am Loch Lomond am südlichen Teil des West Highland Way. Dennoch gefällt es uns hier fast besser, denn es ist viel ruhiger. Nicht nur, dass am Great Glen Way insgesamt viel weniger Wanderer unterwegs sind als am West Highland Way, am Loch Lomond war man immer in Hörweite einer vielbefahrenen Straße. Hier dagegen laufen wir zwar auch in Straßennähe, aber auf dieser kommt nur alle paar Minuten mal ein Auto vorbei - und manchmal auch ein paar Radfahrer.

Wir haben ja die letzten beiden Tage schon viel über die Commandos, die im zweiten Weltkrieg gegründeten militärischen Spezialeinheiten, gelernt. Nun sind wir tatsächlich auf ihrem ehemaligen Trainingsgebiet. Deutlich wird uns das, als wir an einer sonderbaren Betonplattform am Ufer des Sees vorbei kommen: eine Tafel erklärt, dass dies Reste eines Übungslandefahrzeugs für die Normandieinvasion sind. Ein interessantes Detail ist, dass während diesen Übungsmissionen von den Verteidigern scharfe Munition verwendet wurde. Sie hatten vorher geübt, vorbeizuschießen, aber nur ganz knapp. Im weiteren Verlauf des Ufers kommen wir noch an weiteren Tafeln vorbei, die das Training der Commandos beschreiben. Kurz nach der Betonplatte biegt nach links eine Straße ab, die in das zwei Kilometer entfernte Achnacarry führt, wo das Trainingslager untergebracht war. Das Trainingslager selbst ist nicht zugänglich, doch nebenan befindet sich das Museum des Clans Cameron, dessen Stammsitz Achnacarry ist. Das Museum soll interessant sein, da wir aber noch einen weiten Weg vor uns haben, verzichten wir schweren Herzens auf den Umweg.

Wir kommen noch an einigen Häusern vorbei, einige davon recht protzige Villen, dann verläuft der Weg durch den Wald. Hier kann man erahnen, wie Schottland vor der Abholzung ausgesehen haben muss, nämlich mit gemäßigten Regenwäldern ähnlich denen im amerikanischen Nordwesten. Die Stämme der Bäume sind mit Moos bedeckt. Zwischen frühlingsgrünen Birken und Buchen stehen redwoodähnliche Thujen und riesige Fichten.

Wir erreichen Clunes, eigentlich nur eine Handvoll Häuser. Hier trennt sich der Weg von der Straße. Die nächsten Kilometer bezeichnet unser Wanderführer als extrem langweilig - und zugegeben: besonders spannend sind sie wirklich nicht. Auf einem breiten Forstweg geht es durch Fichtenpflanzungen verschiedenen Alters. Einzige Abwechslung bieten von Zeit zu Zeit kleine Bäche, die von links den Hang herunter gesprudelt kommen. Manchmal gibt ein Kahlschlag den Blick auf den Loch Lochy unter uns und auf die langsam hinter uns zurück bleibende Nevis-Range frei. Hier treffen wir ein Ehepaar, das den Great Glen Way auf dem Fahrrad fährt. Er auf einem konventionellen Rad, sie auf einem Pedelec. Nach einem steilen Anstieg (das Pedelec ist ohne groß abzubremsen einfach hochgeschnurrt) machen die beiden Pause und er gibt uns außer Atem den Ratschlag, niemals gegen eine Person auf einem e-Bike ein Rennen zu fahren.

Erst kurz vor dem Seeende kommen wir wieder aus dem Wald und laufen nun über grüne mit weißen Schafen gesprenkelte Weiden und durch blühende Ginsterbüsche. Am Ende des Sees gibt es wieder eine Schleuse, die Laggan Locks. Hier ist auch der höchste Punkt des Kanals. Hinter der Schleuse liegt im Kanal ein zum Pub umgebauter Kahn. Wir kehren dort ein, um uns für das letzte Stück des heutigen Weges zu stärken.

Am Südende des Loch Oich gibt es wieder eine Drehbrücke. Der ursprüngliche Verlauf des Great Glen Way folgt von hier an dem Ostufer des Sees. Da es an diesem Wegverlauf keine geeigneten Unterkünfte gegeben hätte, haben wir ein Hotel in Invergarry reserviert, also am Westufer und folgen daher einer Alternativroute an dieser Seite des Sees. Diese hatten wir uns selber herausgesucht und sind überrascht, dass sie mittlerweile offiziell als gleichberechtigte Alternative für den Great Glen Way deklariert ist. Allerdings kommen wir an Schildern vorbei, die deklarieren, dass der Nordteil dieser Alternative (wo wir morgen laufen wollen) bis September wegen Forstarbeiten gesperrt ist. Man möge doch bitte auf das Ostufer ausweichen. Dieser Vorschlag macht in Anbetracht unserer Hotelreservierung natürlich ganz viel Sinn und daher entscheiden wir, morgen soweit zu laufen wie es geht und dann zu schauen, wie wir durchkommen.

Der Weg führt nun nochmal durch den Wald bergauf und dann in einer sehr weiten Serpentine hinunter ins Tal des River Garry und zur Ortschaft Invergarry. Unsere heutige Unterkunft ist Luxus: Auf dem Gelände des Invergarry Castle, dem beim Jakobiteraufstand 1745 zerstörten Stammhaus der MacDonnells, hat in den 1860ern der Direktor der Hudson Bay Company, eine Villa errichtet. In dieser befindet sich mittlerweile ein Hotel, in dem wir heute mit Herrenhausfeeling nächtigen. Der Mensch an der Rezeption ist ein wenig verwirrt, dass wir ohne Angabe einer Autonummer einchecken und fragt sicherheitshalber nochmal nach, ob wir auch ganz sicher kein Auto haben. Vor dem Abendessen unternehmen wir noch einen Spaziergang durch den Park und zur Burgruine.


Morgenstimmung am Loch Lochy


Unterwegs durch blühenden Ginster kurz vor den Laggan Locks


Pub The Eagle Barge


Ruine von Invergarry Castle
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